Saeculum
vor, drückte ihre Lippen auf seine. Drehte sich abrupt weg, fiel auf die Knie, erbrach Wasser.
»Das konntest du schon mal besser, meine Süße. Aber ich bring es dir sicher wieder bei.« Er packte sie an den Haaren und zog sie hoch. »Sag schön Auf Wiedersehen zu deinen Freunden. Wir müssen uns jetzt leider verabschieden.«
Nein! Bastian kam auf die Beine, es ging besser, als er gedacht hatte, er konnte wieder atmen und seine Wut hatte erneut Oberhand gewonnen. Er fand seine Brille am Boden, intakt. Gut.
»Was ist mit deinem Klimperdingens? Das willst du sicher mitnehmen?« Simon riss Iris' Kopf in Richtung der Harfentasche.
»Nein.« Ihre Stimme war jetzt ganz ruhig. »Das brauche ich nicht mehr.« Sie sah Bastian an, lange, solange Simon sie ließ, bevor er ihr den Kopf in den Nacken zog.
»Na also, Paul, doch Wort gehalten. Geht ja. Was das Geld angeht - da melde ich mich noch.«
»Scheiße«, murmelte Paul in Bastians Richtung. »Ich hatte sie gebeten, bei den anderen zu bleiben, ehrlich, Bastian, ich wollte, dass sie in Sicherheit ist, aber sie ist einfach abgehauen. Und ich konnte ihr nicht mal hinterherrufen, sonst hätte er sie noch früher entdeckt.« Dann, noch leiser: »Mir war nicht klar, wie krank der Typ wirklich ist.«
Bastian antwortete nicht, er sah nur Iris an, die die Taschenlampe halten musste, während Simon begann, sie vor sich die Treppe hochzuschieben. Das Messer hielt er lässig in der Hand, doch immer so, dass er schnell zustechen konnte.
Ich kann nichts tun. Nichts. Es war unerträglich, schlimmer als das Gefühl, keine Luft zu bekommen, schlimmer als alles andere, was er in den letzten Tagen durchgemacht hatte. So lange war Iris auf der Flucht gewesen, so geschickt, so umsichtig, und nun hatte ihr Verfolger sie doch erwischt. Nur seinetwegen.
Bastian stolperte ein paar Schritte vorwärts, wie von selbst, und dann sah er es. Es lag am Rand eines Lichtkegels, immer noch da, wo Paul es abgelegt hatte.
Er sah es und hörte auf zu denken. Tauchte in die Dunkelheit. Hob es auf. Verursachte kein Geräusch. Blieb in der Dunkelheit, hielt sich hinter ihnen, war leise wie ein Fuchs. Glitt die ersten Stufen hinauf. In seiner Hand die Schwere der Waffe, die schon vor Jahrhunderten den Tod gebracht hatte.
Paul begriff. Er begann, Lärm zu machen, gegen das Gitter zu treten, zu fluchen. Sah überallhin, nur nicht zu Bastian, der beinahe angekommen war. Das Schwert hob. Es hinabsausen ließ, ohne Bedauern, ohne Zögern.
Simon schrie auf. Das Messer fiel aus seiner Hand, klirrte die Stufen hinunter. Bastian achtete nicht auf ihn, er griff nach Iris, zog sie mit einem Ruck an sich, zurück in den Kerker, zu den anderen.
Hinter sich hörte er etwas Schweres zu Boden stürzen. Das Schwert hatte sich tief in Simons Oberschenkel gegraben, nur ein Stück unterhalb der Hüfte. Er fiel die Treppe hinunter, blieb wimmernd liegen. Die Lichtkegel der Taschenlampen flirrten hektisch durch den Keller.
Carina schrie auf. »Oh mein Gott, so viel Blut!«
»Er stirbt. Ich glaube, er stirbt«, ächzte Paul.
Bastians Vater rempelte ihn zur Seite, ging neben Simon in die Knie, sah sich die Blutung an. »Wo ist das Schwert?«
»Liegt auf der Treppe.«
»Da kann es nicht bleiben.«
Carina drehte sich schwer atmend zur Seite. »Oh bitte, ich will endlich hier raus.«
Maximilian Steffenberg arbeitete schnell und präzise. Er legte einen Druckverband an, wofür er seine Krawatte, einen flachen Stein und zwei Packungen Papiertaschentücher aus Carinas Rucksack verwendete. »Wir verlieren kein Wort über das, was hier passiert ist, klar?«
Paul nickte, zeigte auf Simon. »Aber was, wenn er … ich meine, wenn …«
»Darum kümmere ich mich. Keine Sorge.«
Bastian setzte Iris auf den Boden, lehnte sie gegen die Mauer. Sie war bleicher als je zuvor. Bei ihm selbst setzte ebenfalls der Schock ein, das Entsetzen darüber, was er getan hatte. Er hatte nicht genau gezielt, nur darauf geachtet, Iris nicht zu erwischen.
Ich hätte Simon den Schädel spalten oder ihm einen Arm abhacken können. Das ganze Bein, wenn das Schwert schärfer gewesen wäre. Ich hätte fast einen Menschen getötet.
Er sah Iris an, nahm ihre Hand, die noch kälter war als seine.
»Danke.« Iris' Stimme war nur ein Hauch, als hätte sie Angst vor dem Klang. Ihr Rücken zitterte. »Du«, sagte sie, »ich wünsche mir so sehr, dass er stirbt.« Sie beugte sich vor, vergrub das Gesicht in ihren Händen und weinte. Bastian hielt sie,
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