Saeculum
hatte er sich wieder im Griff. »Mit fünfzehn hat mir dieser Begriff nicht viel gesagt, aber er klang irgendwie nicht gut.«
Bastian ließ seinen Vater nicht aus den Augen. Im dunkelgelben Licht der Campingleuchten wirkte sein Gesicht ruhig, doch er blinzelte häufiger als sonst. Rieb Daumen und Zeigefinger aneinander, als wolle er die Qualität eines Stoffes prüfen.
Du weißt, dass er die Wahrheit sagt. Bastians Kiefer schmerzte, so fest biss er die Zähne aufeinander.
In der Stimme seines Vaters war nichts als Bedauern zu hören: »Sind Sie sicher? Daran erinnere ich mich gar nicht. Es tut mir sehr leid, dass Sie Ihre Mutter verloren haben, das muss eine schwere Zeit für Sie gewesen sein. Trotzdem, mein Sohn sind Sie nicht.«
Du abgebrühter Schweinehund, dachte Bastian.
Sein Vater hatte nun das vertrauenerweckende Lächeln aufgesetzt, das er immer für Fernsehinterviews in petto hatte. Aufmerksam, freundlich, aber glatt wie poliertes Eis.
»Richtig, der Test«, erwiderte Paul und in seinem Ton lag deutlich mehr Schärfe als zuvor. »Der negative Test. Tja, meine Mutter hat nachgeforscht und weißt du, was sie herausgefunden hat? Der Gutachter war einer deiner Studienkollegen. Da hatte sie wohl Pech, nicht?« Er legte den Kopf schief. »Was natürlich gar nichts beweist, aber das ist egal. Ich schlage vor, wir lassen den Test einfach wiederholen. Das ist doch sicher in deinem Sinne.«
Sein Vater stand kurz davor, die Beherrschung zu verlieren, Bastian konnte sehen, wie viel Kraft er brauchte, um sich zurückzuhalten.
»Sie glauben doch nicht wirklich, ich gebe mich für so etwas her? Sie werden jetzt sofort dieses Gitter beiseiteschieben und meinen tatsächlichen Sohn freilassen, dann wird das Nachspiel vor Gericht vielleicht nicht ganz so drastisch für Sie ausfallen.«
Paul seufzte, wirkte aber nicht im Geringsten beunruhigt. »Nachspiel vor Gericht? Was soll das denn für eine Anklage werden?«
»Erpresserische Entführung natürlich, und lassen Sie endlich das Du!«
»Tja, ich fürchte, daraus wird nichts.« In einer Geste des Bedauerns breitete Paul die Arme aus. »Denn sieh mal: Ich habe Bastian nicht das Geringste angetan. Im Gegenteil, ich habe ihn gegen eine abergläubische Horde junger Menschen verteidigt, die ihn umbringen wollte.«
»Du hast ihn in dieses Loch gesperrt!« Nun war seinem Vater selbst das Du herausgerutscht. Er biss sich auf die Lippe.
»Irrtum. Auch das waren die anderen. Sie hatten solche Angst, das hättest du sehen müssen. Vor einem Fluch, den es nicht gibt, außer hier drin.« Paul tippte sich an die Stirn.
Einen Moment lang dachte Bastian, seine Wut würde ausreichen, um das Gitter von allein wegzuschleudern. Paul hatte sie manipuliert, den ganzen Haufen. Sie in Todesangst versetzt, zugelassen, dass sie mit Messern und Schwertern aufeinander losgegangen waren.
»Ein Fluch?«, fragte sein Vater mit gerümpfter Nase. »Das ist doch lächerlich.«
»Wie man es nimmt. Es existiert eine überaus interessante Geschichte, die sich vor langer Zeit in dieser Ruine zugetragen haben soll.« Paul streckte sich. »Ich glaube nicht an Verwünschungen oder Vorsehung und diesen ganzen Kram, aber vor zwei Jahren bin ich auf den Eingang zu diesen Kellergewölben gestoßen. Damals war ich fast versucht, meine Einstellung noch mal zu überdenken.« Er ging einen schnellen Schritt auf Bastians Vater zu, der sich sichtlich beherrschen musste, um nicht zurückzuweichen. »Es war, als hätten sie mich gerufen, die alten Knochen. Zuerst war meine Hoffnung, hier unten könnte ein Schatz verborgen sein, irgendetwas Wertvolles. Fehlanzeige. Doch dann habe ich ein wenig nachgeforscht und bin auf die Sage gestoßen, die man sich über diese Burg erzählt. Das hatte wirklich etwas Magisches. Die Geschichte der Menschen zu lesen, deren Überreste ich gefunden hatte.«
»Hören Sie, lassen Sie mich mit Ihrem Schwachsinn in Frieden. Entfernen Sie das Gitter!« Maximilian Steffenbergs Ton war nun der eines Mannes, der es gewohnt war, dass man seinen Anweisungen folgte. Doch Paul ließ sich nicht beirren.
»Es ist die Geschichte von zwei Brüdern«, fuhr er fort. »Einem reichen und einem armen. Der arme verflucht in der Stunde seines Todes den reichen und dessen Land. Dieses Land. Wer es betritt, auf den fällt der Fluch, und er kann diesen Wald nicht mehr verlassen. Jede Menge scheußliche Dinge werden ihm widerfahren und aller Wahrscheinlichkeit nach wird er sterben. Es sei denn, er tötet
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