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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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stattdessen den reichen Bruder. Oder einen Stellvertreter.« Paul betrachtete seine Fingernägel. »Wenn man in einer Gruft voller Skelette eingeschlossen ist, können solche Schauergeschichten erstaunlich beängstigend wirken.«
    Bastians Vater hob die Augenbrauen. »Das heißt, Sie haben den anderen eingeredet, sie müssten Bastian töten?«
    »Aber nein. Es hat völlig genügt, ihn hierher mitzunehmen, gemeinsam mit ein paar Leuten, die so viel Fantasie haben, dass sie ihnen ab und zu einen Streich spielt. Die gibt es in der Mittelalterszene reihenweise. Und dann den Fluch wahr werden lassen, einen Punkt nach dem anderen. Die richtigen Schlüsse haben sie mit ein bisschen Hilfe selbst gezogen.«
    Bastian konnte nicht mehr an sich halten. »Du Arschloch«, brüllte er. »Wir hätten alle krepieren können! Hast du nicht gesehen, wie beschissen es Arno ging? War dir das völlig egal?«
    Ein bekümmerter Blick. »Natürlich nicht. Hör mal, ich habe Arno die ganze Zeit durch den Wald geschleppt und ihn versorgt, so gut es ging. Aber so knapp vor dem Ziel aufgeben, das konnte ich nicht. Ich habe ein ganzes Jahr Vorbereitung in diese Convention gesteckt.«
    In Bastian brodelte es so heftig, dass er befürchtete, sein Inneres würde sich jeden Moment nach außen stülpen. »Vorbereitung, ja? Zum Beispiel kleine Sprüche dichten und auf Rindenstücke schreiben?«
    Kopfschütteln. »Das war Lars. Er ist der Dichter und in diesen Sachen viel besser als ich. Wir haben die Teile einen ganzen Winter unter Schlamm und Schnee liegen gelassen, damit sie alt aussehen.« Die beiden nickten sich zu. »Lars hat mein ganzes Vertrauen - wir waren in der gleichen Pflegefamilie.«
    Bastian blickte aus den Augenwinkeln zu seinem Vater, doch der schwieg. Schüttelte ab und zu den Kopf. Wenn es nicht so absurd gewesen wäre, hätte Bastian das Zucken um seine Mundwinkel als Lächeln gedeutet.
    »Was ist mit Steinchens Ausschlag?«
    In Pauls Augen blitzte Stolz auf. »Riesenbärenklau. Eine wunderbare Pflanze, wächst in fast jedem Boden und wird richtig hoch. Sie ist giftig, löst heftige Hautreaktionen aus, besonders wenn Sonnenlicht mit im Spiel ist. Habe ich bei der Con im letzten Jahr gepflanzt und Carina, die Süße, hat die Gruppe direkt durch mein Beet geführt.«
    »Und Arno in die Fallgrube.«
    In Pauls Gesicht stand echtes Bedauern. »Ich wollte nicht, dass er sich so schwer verletzt. Ein verstauchter Knöchel wäre genug gewesen und mit mehr hatte ich auch nicht gerechnet. Aber es durfte niemand den Ort verlassen, das verstehst du doch? Sonst hätte keiner an die Wirkung des Fluchs geglaubt. Doro hätte niemanden mehr überzeugt.«
    »Also steckt Doro auch mit dir unter einer Decke!«
    Pauls Augen wurden groß. »Doro? Nie im Leben. Sie glaubt an den Fluch, mit jeder Faser ihres Herzens. Nur deshalb hat sie so überzeugend sein können. Mit Doro war es ähnlich wie mit dem Bärenklau: Ich habe ihr im letzten Jahr die Sage eingepflanzt und sie hat dafür gesorgt, dass sie wunderbare Blüten treibt.«
    »Das heißt also«, Bastians Vater klang gefährlich leise, »du hast einem Haufen von Idioten weisgemacht, sie müssten sterben, außer sie bringen Bastian um.«
    Paul nickte zögernd. »Das mit den Idioten würde ich nicht unterschreiben, doch im Prinzip: ja.«
    »Aber du hast ihn verteidigt?«
    »Natürlich. Sonst wären die Dinge außer Kontrolle geraten. Ein paar Mal war es richtig knapp.«
    Allerdings. Bastian konnte sich nicht mehr beherrschen. »Ja, wenn Georg mir die Kehle durchgeschnitten hätte, wäre dein Plan ziemlich in die Hose gegangen, du Dreckskerl!«
    Das Lächeln in Pauls Gesicht wurde nur geringfügig schmaler. »Du hast recht, das war verdammt heikel. Trotzdem, ich glaube nicht, dass er es wirklich getan hätte.« Er nickte Bastian zu. »Aber ich verstehe dich, ich habe mich auch erschrocken.«
    Erschrocken. Wenn ich aus diesem Loch komme, dreh ich dir den Hals um.
    Einmal mehr rüttelte Bastian an dem Gitter über seinem Kopf; alles in ihm weißglühend vor Wut. Warum tat sein widerlicher Vater nicht wenigstens dieses eine Mal etwas? Warum hatte er keine Waffe eingesteckt oder wenigstens eine Spritze voll hoch dosiertem Neurotoxin, mit der er Paul außer Gefecht setzen konnte? Nein, er stand bloß da, mit steinerner Miene.
    »Das heißt also, du hast jede Menge Zeugen für deine Tat, von denen keiner ein Wort sagen wird, weil sie gar nicht wissen, was du getan hast, sondern sich selbst für schuldig

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