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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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Saeculum-Pseudo-Mittelalter.
    Wenn sie nicht wollte, dass er ihr die ganze Nacht über mit Selbstvorwürfen auf die Nerven ging, musste sie ihn ablenken. »Hunger? Ich sag's dir gleich, wenn du meinst, dämlich und höflich sein zu müssen, ist das deine Sache. Ich hab hier alte Brötchen, fette Wurst und drei hart gekochte Eier. Willst du etwas, ja oder nein?«
    Sie konnte sein Erstaunen spüren, wahrscheinlich fiel ihm gerade erst wieder ein, dass er einen Magen hatte.
    »Gerne«, sagte er nach einer Weile. »Danke. Du hilfst mir schon die ganze Zeit, ich hoffe, ich kann mich bald revanchieren, aber meine Vorräte sind alle durchweicht …«
    Ach du meine Güte! Revanchieren. Im Vier-Sterne-Restaurant mit Papis Kreditkarte wahrscheinlich. »Schon gut, nicht nötig. Du bist zum ersten Mal dabei, dafür hältst du dich nicht schlecht. Obwohl - nicht sauer sein, ja? -, ich finde, du passt hier nicht dazu.«
    »Wieso nicht?«
    Sie dachte kurz nach. »Nach allem, was ich gehört habe, stehst du mit beiden Beinen im Leben. Weißt genau, was du willst, hast ein Ziel und bist total darauf konzentriert.« In ihrem Beutel tastete sie nach einem Brötchen und einem Ei, beides war etwa gleich hart. Hoffentlich hatte er gute Zähne.
    »Ein so zeitaufwendiges Hobby wie das Live-Rollenspiel ist in deinen Augen eigentlich nur unnötige Ablenkung von den wichtigen Dingen im Leben. Du bist aber trotzdem hier, das muss daran liegen, dass du komplett in Sandra verschossen bist.« Sie hielt Bastian das Ei und das Brötchen in der Dunkelheit entgegen. Seine Hände berührten ihren Arm, glitten daran hinunter, fanden ihre Finger.
    »Danke.«
    »Gerne.« Iris tastete nach der Wurst. Ein paar Scheiben hatte sie noch bei Tageslicht abgeschnitten, drei davon hielt sie ihm jetzt entgegen. »Nichts zu danken, okay?«
    Es krachte. Bastian musste in das Steinbrötchen gebissen haben. Wie ein Echo setzte erneut Donnergrollen ein.
    »Was Sandra angeht …«, sagte er kauend. »Wahrscheinlich bin ich wirklich in sie verschossen. Gewesen. Sie hat etwas, das mir fehlt. Etwas Freies, Spontanes.«
    »Ah, genau - dieses Etwas, das sie gerade in den dunklen Wald getrieben hat.« Iris biss sich auf die Lippe. Sie hatte eben das Thema wieder auf den Tisch gebracht, von dem sie ihn eigentlich hatte ablenken wollen.
    Bastian schwieg. Sein schlechtes Gewissen saß zwischen ihnen wie eine dritte Person.
    »Ich wundere mich sowieso, dass niemand dagegen protestiert hat, dass du mitkommst«, sagte sie schnell.
    »Wieso?«
    »Weil die Pfingst-Con etwas ganz Besonderes ist, eine Art Geheim-Con. Jeder verlässt sich darauf, dass die anderen den Mund halten. Dich kennt aber keiner, noch schlimmer, es ist überhaupt deine erste Con. Ich meine, du könntest ja in ein paar Tagen zur nächsten Polizeistation marschieren und erzählen, dass wir ohne Erlaubnis in diesem Wald campiert haben. Wir haben Feuer gemacht und einen großflächigen Waldbrand riskiert. Vielleicht hat sich sogar jemand verletzt. Im vergangenen Jahr gab es einige Platzwunden, verstauchte Knöchel und jede Menge blauer Flecken vom Kampf mit den Holzschwertern. Das alles ist vom Gesetz her nicht okay, jedenfalls nicht, sobald einer es anzeigt.« Sie versuchte, im Dunkeln seine Augen zu erkennen, vergeblich. »Wer sagt uns, dass du das nicht tun wirst? Deshalb wundert es mich, dass sie dich mitgenommen haben. Sandra muss sehr überzeugend gewesen sein.«
    Eine Pause trat ein. Iris war ziemlich sicher, dass Bastian gerade dasselbe dachte wie sie, einen Wimpernschlag später sprach er es aus.
    »Warum ist sie dann auf einmal so abweisend zu mir?«
    Iris fuhr herum, hielt den Kopf näher zum Ausgang. »Schhhh!« Da war etwas. Etwas, das näher kam.
    »Was ist denn?«
    »Leise.« Sie hauchte das Wort fast lautlos, lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Da! Kein Zweifel - jetzt musste auch Bastian es gehört haben. Schritte, tastend, aber zügig. Sandra, die zurückkam? Nein, sie war viel langsamer gewesen. Doch an Sandra schien Bastian zu denken, Iris fühlte, wie er sich vorbeugte, wahrscheinlich wollte er rufen. Sie griff nach ihm, bekam etwas zu fassen, das sich wie eine Schulter anfühlte. »Nicht«, hauchte sie.
    Warum war sie so unruhig? Es sprach alles dafür, dass jemand aus der Gruppe hier nachts spazieren ging. Oder?
    Nein. Es klingt anders. Es klingt nach jemandem, der sehen kann, wohin er seinen Fuß setzt.
    Vielleicht war er es. War ihr gefolgt. War hier.
    Unsinn. Sie hatte viel zu gut

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