Saeculum
aufgepasst. Trotzdem fühlte Iris ihren Puls hämmern, als stünde er direkt vor ihr. Sie hielt die Luft an. Etwas klickte. Etwas summte. Es hörte sich an, als wäre es ganz nah. Dann entfernten sich die Schritte langsam.
»Muss ein Tier gewesen sein«, wisperte Bastian.
»Ein Tier klingt anders. Das eben war ein Mensch.«
»Woher weißt du das so genau?«
»Viel zu unbeholfen für ein Tier.«
Sie lauschten noch einige Zeit in die Nacht hinaus, doch wer auch immer es gewesen war, der sie besucht hatte, er kam nicht wieder.
Ihr Schlaf war unruhig. Nicht weil die Höhle so unbequem gewesen wäre - Iris hatte gelernt, in fast jeder Position zu schlafen -, sondern weil Bastian ständig hochschreckte. Jeder heftigere Windstoß, jeder knackende Ast schien ihn aus dem Schlaf zu reißen. Später in der Nacht zog tatsächlich wieder ein Gewitter auf, und obwohl es bei Weitem nicht so stark war wie das letzte, kroch Bastian halb aus der Höhle, um in die Finsternis hinauszuspähen. Vermutlich hoffte er, dass Sandra zurückkommen und Unterschlupf suchen würde.
Das erste Morgenlicht brachte die Tropfen auf den Felsen und Blättern zum Glitzern. Zwischen kaum geöffneten Augenlidern sah Iris, wie Bastian in sein feuchtes Hemd schlüpfte und dabei das Gesicht verzog.
»Es ist höchstens fünf Uhr morgens«, murmelte sie verschlafen. »Du solltest dich noch für eine Stunde aufs Ohr legen, mindestens.«
Er schüttelte den Kopf, während er in seine Hose stieg. »Nein. Mir lässt das mit Sandra keine Ruhe. Und mit Warze. Ich habe überhaupt kein gutes Gefühl, außerdem …« Er hob hilflos die Schultern, lächelte und schlüpfte aus der Höhle.
Iris gähnte. Außerdem muss ich dringend pinkeln und möchte das nicht hier drin erledigen - schon klar. Verdammt, jetzt würde sie auch nicht mehr einschlafen können. Die ersten blassen Sonnenstrahlen hatten die Vögel geweckt, die nun zu krakeelen begannen. Sie rieb sich das Gesicht mit beiden Händen. »Wunderschönen guten Morgen«, sagte sie missmutig. Dann konnte sie ebenso gut aufstehen und sich einen Busch suchen.
Außerhalb der Höhle war immer noch alles nass. Der Waldboden hatte sich mit Wasser förmlich vollgesogen, da und dort schoben sich Pilze aus der Erde. Sie hörte, wie Bastians Schritte sich entfernten und dann innehielten.
Iris erledigte, was zu erledigen war, ging zurück zur Höhle, packte die notwendigsten Dinge zusammen und hängte sich die Harfentasche über die Schulter. Es würde kein Problem sein, Bastian zu finden - er machte bei seinem Spaziergang jede Menge Krach.
»Weißt du eigentlich, wohin du willst?«, fragte sie ihn, als sie ihn eingeholt hatte.
»Erst mal zurück zum Lager. Das kann nicht so weit sein.« Er sah sich prüfend um. »Dann hoffentlich mit ein paar Leuten die Umgebung absuchen.«
»Aha.« Sie nahm ihn bei den Schultern und drehte ihn nach rechts. »Das Lager ist in dieser Richtung.«
Auf dem Weg kamen sie an Ralf, Alma und Arno vorbei, die sich aus ihren Decken eine Art notdürftiges Zelt zwischen Bäumen und Felsen gebaut hatten. Die drei schliefen so tief, dass die zerberstenden Zweige unter Bastians Schuhen sie nicht weckten.
Iris blinzelte. Sie betraten die Lichtung von Westen her, die aufgehende Sonne schien ihnen direkt ins Gesicht. Hier war ebenfalls noch niemand wach. Am Waldrand lag Steinchen, ein schnarchender Berg unter zwei Wolldecken, eine dritte war als notdürftiger Regenschutz über ihm zwischen die Bäume gespannt. Neben der Feuerstelle hatten sich Georg und Lisbeth zusammengerollt - direkt dahinter lag Sandra.
Iris stieß Bastian den Ellenbogen in die Rippen. »Siehst du«, flüsterte sie. »Ihr ist nichts passiert. Trotzdem - wie dämlich von ihr!«
»Aber warum?« In Bastians Gesicht zeichnete sich Unverständnis ab. »Findet sie mich so widerlich, dass sie lieber im nassen Gras schläft als in meiner Nähe? Ich kapier es nicht.«
»Wahrscheinlich lag es weniger an dir als an mir.« Ganz sicher sogar. »Sie kann mich nicht leiden. Frag mich nicht, wieso, ist eine Tatsache.«
Von Warze allerdings keine Spur. Bastian und Iris beugten sich über jeden der Schlafenden, liefen die ganze Lichtung ab, doch er war nicht zu finden.
Auweia, der arme Kerl. Wenn er irgendwo abgestürzt ist …
»Ihm muss etwas passiert sein«, sagte Bastian, als hätte er Iris' Gedanken gehört. »Ich will es mir gar nicht vorstellen - die ganze Nacht allein und vielleicht mit Schmerzen, bei diesem Wetter, in dieser
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