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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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diesmal schüttelte er ihre Berührung ab.
    »Was hast du denn?« Nun klang sie beleidigt - das auch noch.
    Er antwortete nicht, sondern beschleunigte seine Schritte, so gut das unebene Gelände es zuließ. Wenn er wenigstens selbst gewusst hätte, wo diese Wut in seinem Inneren plötzlich herkam. Er war nass, okay. Wahrscheinlich hatte er auch Hunger, aber all das wurde von einem überwältigenden Gefühl der Hilflosigkeit überlagert. Zusehen zu müssen, wie seine Habe durchweicht wurde und wie sich jemand zur Zielscheibe eines mörderischen Gewitters machte. Nicht mal eine Taschenlampe zu haben, um einen verschwundenen Freund suchen gehen zu können.
    Er übersah eine Wurzel, stolperte und fluchte. Sandra reichte ihm eine Hand, um ihm beim Aufstehen zu helfen, doch er tat, als sähe er sie nicht. Ein Teil seiner Wut richtete sich gegen sie, denn sie war es gewesen, die ihn in diese beschissene Situation gebracht hatte. Er atmete tief durch. Unfair. Er war zwanzig Jahre alt, er war erwachsen. Er hatte seine Entscheidung selbst getroffen.
    »Entschuldige«, sagte er und bemühte sich darum, freundlich zu klingen. »Ich bin müde und diese Sache hier ist schwieriger, als ich dachte.«
    Im dämmrigen Abendlicht war es mühsam, einen sicheren Tritt zu finden. Teilweise war der Boden so dicht bewachsen, dass man nicht sehen konnte, was sich unterhalb der Pflanzen befand und worauf man den Fuß setzen würde. Steine? Matsch? Eine Schlange?
    Höchstens noch fünfzehn Minuten bis zur völligen Dunkelheit. Danach würden sie sich einfach hinlegen müssen, wo sie gerade waren. Bastian blieb stehen und versuchte, sich zu orientieren. Dort, ein Stück weiter links, leuchtete etwas Helles zwischen den Baumstämmen. Ein großer Felsen, nein, mehrere, die übereinanderlagen. Mit ein wenig Glück fanden sie in deren Windschatten ein trockenes Fleckchen Erde.
    Die Felsenformation war ein Glücksfall, zwei der riesigen Steine bildeten eine kleine Höhle, in der sich Baumnadeln und Laub angesammelt hatten - beides trocken. Doch jemand war schneller gewesen. Aus dem dunklen Inneren der Höhle streckte Iris ihren Kopf und verzog den Mund, als sie sah, wer da kam.
    »Scheiße«, murmelte Sandra. »Wir drehen um.«
    »Ganz sicher nicht.« Etwas in Bastian freute sich, dass er hier ausgerechnet auf Iris stieß. »Es ist doch noch Platz für zwei?«
    Ohne zu antworten, rückte Iris ein Stück zur Seite.
    »Danke«, sagte Bastian aufrichtig. »Was mich angeht, ich rühre mich vor morgen früh keinen Schritt mehr. Sandra, kommst du?«
    Sie stand in der hereinbrechenden Dunkelheit, die Arme um ihren Tragesack verschränkt. »Ich würde lieber einen anderen Platz suchen.«
    »Blödsinn!« Bastian fühlte schon wieder Wut in seinem Inneren hochkochen. »Wo willst du denn noch etwas finden, das besser ist als diese Höhle? Stell dich nicht so an. Bitte.«
    Sie machte einen zögernden Schritt auf ihn zu. »Wolltest du nicht mit mir allein sein?«, fragte sie.
    Ich wollte trocken sein, satt sein, entspannt sein. »Ja. Doch. Aber im Moment ergibt es sich eben nicht.«
    Einige Augenblicke lang schien Sandra weiter mit sich zu ringen, dann zwängte sie sich ebenfalls in die Höhle.
    »Bestens«, murmelte Iris.
    Sie beobachteten, wie die Dunkelheit durch den Wald kroch und alles auslöschte, bis nur noch Schwärze blieb. Bastian saß an der Felswand, die ihre Unebenheiten in seinen Rücken bohrte, und starrte ins Nichts.
    »Kannst du das Ding da wegtun?«, hörte er Sandras mürrische Stimme, und kurz darauf Iris: »Vergiss es. Sie sieht besser aus als du, klingt besser und verträgt Nässe viel schlechter. Rate mal, wer gehen muss, wenn es hart auf hart kommt.«
    Bastian brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass Iris von ihrer Harfe sprach. Er grinste und schämte sich im nächsten Moment dafür.
    Eine Zeit lang war es ruhig in der Höhle, nur der Wind strich durch die Bäume, deren dunkler werdende Umrisse sich draußen vor dem Eingang abzeichneten. Bis die Nacht sie zur Gänze verschwinden ließ.
    Bastian versuchte, eine bequeme Sitzposition zu finden. »Dieser Spruch vorhin«, sagte er, »hat den jemand kapiert? ›Was innen ist, ist das, was zählt, auch wenn die Hülle funkelt‹?«
    »Moralisches Gesülze«, sagte Iris. »Nach dem Motto: Nur die inneren Werte zählen.«
    »Aber dann passt der zweite Teil nicht, wo es dann heißt: ›Du schützt es gut und dennoch ist es mein, sobald es dunkelt.‹ Ich kann damit nichts

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