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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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Gras ab.
    »Was ist passiert?«
    Sie hob den Kopf. Ihre Lippen waren weiß und Tränenspuren überzogen ihre Wangen. »Fort«, stieß sie mit erstickter Stimme hervor. »Verschwunden.«
    »Das kann nicht sein!«, rief Georg. Er lief zu ihr, begann ebenfalls zu suchen. In, neben und unter ihren Sachen.
    »Was ist denn los?«, fragte Iris, doch Bastian hatte bereits bemerkt, dass das Medaillon, das Lisbeth immer trug, verschwunden war. Messingfarben, mit ineinander verschlungenen Drachen. War es so wertvoll, dass sein Verlust sie derartig verstörte?
    »Kann es sein, dass du es gestern im Wald verloren hast? Während des Gewitters?«
    Sie schüttelte wild den Kopf. »Ich hatte es noch, als ich mich schlafen gelegt habe. Das weiß ich. Und jetzt ist es verschwunden, ich kann das nicht verstehen, es ist einfach nicht möglich …« Sie fuhr damit fort, alles abzusuchen, den Boden, ihre Decken, den Inhalt ihres Tragesacks.
    Georg ging dazu über, auch Lars' Gepäck zu durchwühlen, was der überhaupt nicht witzig fand. »Lass die Finger von meinen Sachen!«
    »Wenn du Lisbeth etwas geklaut hast -«
    »Warum sollte ich?« Er stieß Georg beiseite. »Rühr meinen Kram nicht an!«
    Der Lärm weckte schließlich auch Sandra. Sie rappelte sich verschlafen auf, gähnte und schenkte Bastian ein müdes Lächeln. Eine Versöhnungsgeste, vielleicht. Er hockte sich neben sie ins Gras.
    »Was war gestern los?«, fragte er so leise wie möglich. »Wieso bist du einfach gegangen? Das war mehr als nur riskant, ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«
    »Mhm. Musstest du aber nicht. Ich habe es bloß in der Enge nicht ausgehalten. Ich helfe jetzt Lisbeth, okay?«
    »Eigentlich sollten wir Warze suchen gehen, findest du nicht? Das Medaillon wird schon wieder auftauchen.«
    Sie schüttelte den Kopf. Du verstehst gar nichts, sagte ihre Miene.
    Mit widersprüchlichen Gefühlen sah Bastian ihr zu, wie sie das Gras um die Schlafstellen herum zu durchstreifen begann, den Blick beharrlich zu Boden gerichtet.
    Was hatten die alle mit dem Medaillon? Das war noch nicht mal aus Gold, da war es doch wesentlich wichtiger, einen Freund Moment. Aber es funkelte golden.
    Was innen ist, ist das, was zählt, auch wenn die Hülle funkelt. Du schützt es gut und dennoch ist es mein, sobald es dunkelt. Hatte da jemand angekündigt, Lisbeths Medaillon zu stehlen? Machte ganz den Eindruck. Dass im Inneren des Schmuckstücks etwas Wertvolles verborgen war, konnte Bastian sich gut vorstellen.
    »Lisbeth?« Er kniete sich neben ihr ins Gras. Sie sah ihn aus völlig verweinten Augen an und war trotzdem immer noch bestürzend schön.
    »Ja?«
    »War in deinem Medaillon etwas drin?«
    »Wieso?« Das Wort schoss förmlich aus ihr heraus, viel härter, als es sonst ihre Art war.
    »Nur wegen des Reims von gestern«, sagte Bastian. Ihre Reaktion irritierte ihn. »Der passt irgendwie, nicht? Und wenn es so wäre, dann könnte das doch etwas mit dem Inhalt zu tun ha-«
    »Nicht deine Sache«, zischte sie, drehte ihm den Rücken zu und tastete sich weiter durchs Gras.

    Wenigstens Steinchen war sofort bereit, sich der Suche nach Warze anzuschließen. »Natürlich komme ich mit«, ächzte er, während er sich über seinen Bauch beugte und seine Schuhe mit Lederriemen kreuzweise über den runden Waden festband. »Gebt mir ein paar Minuten und lasst mich noch Ralf wecken. Und Lars, der hat gute Augen.«
    Zu fünft gingen sie los. Lars hatte seine unvermeidliche Lanze geschultert und lief direkt neben Bastian. Sie nahmen die Richtung, die Warze am Tag zuvor eingeschlagen hatte. Wenn er in der Nähe und bei Bewusstsein war, musste er sie hören, denn Steinchen krachte durch den Wald wie ein Bulldozer. Trotzdem riefen sie immer wieder nach ihm, mit wachsender Unruhe. Das Gelände hier war schwer zu durchqueren, zwischen manchen Bäumen rankten sich Dornenpflanzen, oft ging es steil ab- und dann wieder aufwärts. Dass die Nässe den Boden rutschig machte, erleichterte die Sache nicht gerade.
    Über Felsen klettern. Stehen bleiben, rufen. In den Wald hineinhören, der ihnen sein übliches Lied aus Vogelstimmen und Fliegensummen sang. Aber kein menschliches Geräusch, kein Hilferuf, nichts. Die Sorge um Warze wog inzwischen schwer wie Blei. Hatte Bastian sich gestern noch Gedanken gemacht, war er nun von einer kalten Angst erfüllt, die sich immer mehr zur Gewissheit verhärtete. Warze war etwas zugestoßen. Etwas, das ihn daran hinderte, ihnen zu antworten. Auch Steinchen sah

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