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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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umbringen?«
    Immer noch lächelnd richtete sie sich halb auf. »Böse Kräfte können mich verletzen, aber die Natur würde das nie tun«, sagte sie. »Hast du gesehen, wie ich mit ihr getanzt habe?«
    »Oh ja, das habe ich gesehen und ich werde es nie vergessen. Spielst du gern mit deinem Leben?«
    Sie legte ihre Hand auf seinen Arm und sah ihn an, schaute ihm tief in die Augen. In ihrem Blick lag echte Wärme.
    »Ich habe nur versucht, uns alle zu schützen«, sagte sie schließlich. »Gerade Euch, Tomen. In Euren Handlinien habe ich die Gefahr gesehen, die Euch droht. Ihr solltet mir dankbar sein.«
    Okay, sie war tatsächlich verrückt, im klassischen klinischen Sinn. Wahnvorstellungen. Oder so ähnlich, mit Psychiatrie hatte Bastian noch nie viel am Hut gehabt. Er schüttelte ihre Hand ab und ging ohne ein weiteres Wort.
    Einer nach dem anderen kam wieder auf die Lichtung. Ralf wirkte völlig erschöpft, also übernahmen Georg und Arno gemeinsam die Zählung der Anwesenden. Sie waren vollständig und unverletzt. Nur Warze war immer noch nicht aufgetaucht.
    »Wir müssen ihn suchen«, sagte Bastian. »Es ist doch möglich, dass er gestürzt ist und sich nicht bewegen kann, irgend so etwas. Wenn es so ist, können wir ihn nicht einfach liegen lassen.« Er versuchte, sich nicht vorzustellen, wie es gewesen sein musste, dieses Gewitter allein zu überstehen, verletzt und unfähig, sich irgendwo zu verkriechen.
    »Ja, suchen wir ihn.«
    »Hoffentlich ist ihm nichts passiert.«
    »Ich komme auch mit.«
    Sie redeten durcheinander, bis Georg sie unterbrach.
    »Es wird in einer halben Stunde dunkel«, warf er ein. »Und wenn ich dunkel sage, meine ich dunkel. Wir können jetzt nicht losgehen. Wir würden ihn auf keinen Fall finden, sondern uns nur selbst den Hals brechen.«
    »Das ist leider wahr«, bestätigte Iris. »Im Moment können wir rein gar nichts tun. Scheiße auch. Ich hoffe ja, er war einfach nur zu weit entfernt, um vor dem Gewitter zurückzukehren, und hat sich einen Unterschlupf gesucht.« Damit machte sie kehrt und ging in den Wald hinein.
    Sah Bastian das falsch oder war sie wirklich als Einzige trocken geblieben? Wie hatte sie das angestellt?
    »Aber jemand muss doch eine Taschenlampe haben«, versuchte er es noch einmal, wobei er auf die In-time-Regelung pfiff. »Die Orga-Leute. Irgendjemand!«
    »Wir wissen nicht, wo die ihr Lager aufgeschlagen haben. Da könnten wir auch gleich Warze suchen gehen«, meinte Georg. »Wir müssen bis morgen warten, leider. Mir fällt es auch schwer.«
    Langsam zerstreuten sie sich, jeder suchte sich einen Schlafplatz, nur Bastian stand immer noch da und starrte in den finster werdenden Wald. Irgendwann nahm Sandra ihn bei der Hand.
    »Warze kommt zurecht«, sagte sie. »Ausnahmsweise liegt Iris richtig. Er hat sicher einen Unterschlupf gefunden.« Ihr Ton war zuckersüß, sie streichelte ihm übers Haar und legte ihren Kopf an seine Schulter.
    Sieh da. Auf einmal wieder so anschmiegsam? Bastian wäre gerne von ihr abgerückt, beherrschte sich aber. Sandras ständige Stimmungswechsel gingen ihm allmählich auf die Nerven.
    »Wir sollten uns auch einen Platz suchen, und zwar schnell«, fuhr sie fort. »Wer weiß, ob wir heute Nacht nicht noch ein weiteres Gewitter kriegen.«
    Umso schlimmer. Vor allem für Warze. Freundlich, aber bestimmt löste Bastian sich von Sandra, um zu tun, was er schon längst hätte erledigen sollen: nachsehen, wie viel Schaden der Regen an seinem Gepäck angerichtet hatte.
    Die Bestandsaufnahme dauerte nicht lange und endete deprimierend: Alles war nass. Jedes einzelne Kleidungsstück, die Decken, der mit Laub gefüllte Sack, dessen Inhalt das Unwetter in bräunlichen Matsch verwandelt hatte. Seine Essensvorräte schwammen ebenfalls in Regenwasser, was vor allem dem Brotlaib nicht gut bekam.
    Am liebsten hätte Bastian das ganze Zeug genommen und in die Latrinengrube geworfen. Nichts davon würde heute noch trocknen, wie denn auch? Das Feuer, über dem Steinchen gekocht hatte, war sofort dem Regen zum Opfer gefallen und die Sonne ging gerade unter. Zwischen ihren letzten schwachen Strahlen jagten dunkle Wolkenfetzen dahin.
    Bastian breitete die größte seiner Wolldecken aus und legte alle seine Habseligkeiten hinein. Die Deckenenden verdrehte er so, dass ein notdürftiger Beutel entstand, dann ging er in den Wald.
    Sandra lief ihm hinterher. »Warte auf mich! Zu zweit haben wir es auf jeden Fall wärmer.« Sie hakte sich bei ihm unter, doch

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