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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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seinem … Knochen.
    »Was ist passiert?« Iris' stützender Arm legte sich um ihn. »Das ist doch nicht der Hunger, oder? Was ist los?«
    Ihr konnte er es sagen. Sie war nicht der Typ, der kreischte und Panik verbreitete.
    »Behalt es für dich, okay?«
    »Sicher.«
    »Der Knochen … das ist ein Femur.« Er sah in ihren Augen, dass sie ahnte, was jetzt kommen würde. Er sah es an ihren Lippen, die einen Ton blasser wurden, an der Art, wie sie trocken schluckte. Doch er sagte es trotzdem, er musste es loswerden. »Der Oberschenkelknochen eines Menschen.«

    Iris hatte keinen Ton von sich gegeben. Nicht einmal genickt. Bastian hatte sie nur laut und zittrig ausatmen hören. Nun liefen sie knapp hintereinander durch das dunkle Grün, konzentriert auf jeden ihrer Schritte. Alma und Nathan waren vor ihnen, wenn auch bereits außer Sichtweite, ebenso wie Roderick mit seiner schaurigen Beute.
    Wo hatte der Hund herumgestöbert? Bastian war sich nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte. Unwillkürlich dachte er an die Gräber und Doros Märchen von den umherwandelnden Toten. Nein. Er durfte sich nicht irremachen lassen, das fehlte gerade noch.
    Am Bach legten sie eine Pause ein und füllten ihre Trinkschläuche auf. Bastian steckte seinen Kopf ins kalte Wasser und hoffte, es würde auch seine Gedanken klären. Zumindest vertrieb es die leichte Übelkeit, das war ein Anfang. Als er sich aufrichtete, fühlte er, dass Iris ihn von der Seite ansah.
    »Bist du ganz sicher?«, fragte sie leise.
    Er wusste genau, was sie meinte. Was sie hören wollte.
    »Ja, leider. Kein Hirsch, kein Reh. Menschlich, ohne jeden Zweifel.«
    »Ist er … ist er möglicherweise von Warze? Oder Lars?«
    Wenigstens da konnte er sie beruhigen. »Nein, so frische Knochen würden … anders aussehen. Aber wir sollten versuchen, Roderick dazu zu bringen, uns zu der Stelle zu führen. Vielleicht gibt es hier irgendwo einen Ort, an dem man leicht abstürzen kann …« Er sah es vor seinem geistigen Auge: Lars, Warze und Sandra, mit gebrochenen Gebeinen auf dem Grund einer Schlucht. Neben ihnen ein oder zwei Wanderer aus früheren Jahren, nur noch aus Knochen bestehend.
    Schweigend gingen sie weiter, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Erst als vor ihnen der Felsen mit der schrägen Spitze in Sicht kam, hinter dem das Lager wartete, hielt Bastian Iris am Arm fest.
    »Erzähl es niemandem, bitte. Stell dir vor, wie Lisbeth reagieren würde. Wir warten jetzt ab, wie es bei den anderen gelaufen ist.« Er überlegte. »Paul sollten wir es sagen. So bald wie möglich.«
    Ihre Gruppe war die erste, die wieder im Lager eintraf, was Bastian mit glühendem Optimismus erfüllte. Vielleicht hatten die anderen mehr Glück gehabt. Seine zweite heimliche Hoffnung, nämlich dass Sandra in der Zwischenzeit zurückgekommen war, schwand bereits, als sie die Wiese betraten. Menschenleer. Sandras Sachen lagen immer noch am gleichen Platz wie zuvor.
    »Ich koche uns etwas«, verkündete Alma. Sie durchwühlte Steinchens Gepäcksack nach Zunder und Feuerstein, wurde fündig und mühte sich die nächsten Minuten damit ab, einen Funken zu erzeugen.
    Das Wasser holte Iris in einem Kessel vom Bach, Bastian begleitete sie.
    Nicht allein in den Wald gehen, hörte er Pauls Stimme in seinem Kopf, trotzdem überlegte er einen Moment lang ernsthaft, es zu versuchen. Um zu sehen, was passieren würde. Er glaubte nicht an die Theorie vom großen Unbekannten, der kurz auftauchte und wieder im Nichts verschwand. Was sollte ein Wildfremder mit drei Rollenspielern anfangen? Nein, es steckten sicher Unfälle dahinter - eine Falle vielleicht, die jemand aufgestellt hatte, um Tiere zu fangen. Nur merkwürdig, dass sie bei ihren Suchexpeditionen nie auf diese Falle gestoßen waren. Dass sie nie Hilferufe gehört hatten.
    »Woran denkst du?« Iris war dabei, den Kessel im Bach von angetrockneten Bohnenresten zu säubern, und blinzelte nur kurz zu ihm hoch, ein schmales Lächeln im Gesicht.
    »Ich frage mich, was ich glauben kann und was nicht. Ob ich auch verschwinden würde, wenn ich jetzt einfach in den Wald hineinliefe, und wenn ja, wohin.« Er setzte sich mit dem Rücken an einen dicken Stamm, an dem Ameisen hochliefen. Einige davon verirrten sich in sein Hemd und er schüttelte sie heraus.
    »Außerdem - ganz ehrlich, ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn Sandra etwas passiert ist. Damals auf dem Markt - erinnerst du dich? Als ich alle meine Mittelalterklamotten bei dir gekauft

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