Saeculum
Boden betreten, erinnerst du dich?«
»So ungefähr. Nur nehme ich es nicht ernst, sorry.«
Sie nickte. »Das sehe ich. Du hältst mich für abergläubisch, wenn nicht gar für verrückt. Ich dagegen halte dich für blind.«
D as Magenknurren war lästig. Iris drückte mit einer Hand gegen ihren Bauch und steuerte auf den hellen Punkt zwischen zwei Fichten zu. Nein, wieder kein Pilz. Mist. Sie tauchte unter einem riesigen Spinnennetz hindurch und drehte sich um. Bastian war nicht weit hinter ihr, er hatte darauf bestanden mitzukommen und sie empfand seine Gegenwart wie etwas, das sie behutsam umhüllte. Die Erinnerung an das Leuchten in seinen Augen, als sie gesagt hatte, sie würde ebenfalls bleiben … Nein, es war nicht gut, solche Gefühle zuzulassen. Sie machten schwach und unaufmerksam. Manche Leute kannte man jahrelang und entdeckte dann erst ihr wahres Gesicht. Trotzdem.
Es tat so gut, jemandem zu vertrauen.
Sie lief ein paar Schritte weiter, dorthin, wo der Bach über einer Steinstufe einen kleinen Wasserfall bildete. Der Felsen direkt daneben war so dick mit Moos bewachsen, dass er wie ein Kissen wirkte. Iris konnte nicht widerstehen, sie setzte sich darauf und wartete auf Bastian, der sich noch durch das Gestrüpp mühte.
Drei Tage Wildnis hatten ihm ein neues Gesicht verliehen. Ein leicht gebräuntes. Ein brillenloses. Sein Haar war weit entfernt von der gebügelten Streberfrisur, die sie anfangs so lächerlich gefunden hatte. Nun hing es ihm fast bis in die Augen und jedes Mal, wenn er es mit einer energischen Kopfbewegung zur Seite schüttelte, prickelte etwas in Iris' Innerem. Sein Schnürhemd stand über der Brust halb offen und in Gedanken berührte sie die Haut darunter, fuhr mit den Fingerspitzen darüber, stellte sich seine Reaktion vor …
Oh Scheiße, Iris, du blöde Kuh! Du hast ja auch keine anderen Sorgen. Meine Güte. Sie schüttelte ihren Kopf und wandte ihren Blick dem Bach zu, beobachtete versonnen einen Ast, der in Richtung des Lagers trieb. Bastians Schritte kamen näher.
»Jetzt rate mal, was ich hier habe«, sagte er. Etwas Braunes tauchte unter ihrer Nase auf. »Der Kurzsichtige ist wider Erwarten fündig geworden.«
»Sieht wie ein Maronenröhrling aus.« Sie schnupperte. »Nehmen wir mit. Steinchen ist Experte …« Noch während sie es aussprach, wusste sie, dass sie damit Bastians schlechtes Gewissen geweckt hatte, sah es an der Art, wie er den Kopf senkte.
»Es war in Ordnung, dass wir ihn bei Paul gelassen haben«, sagte sie schnell. »Er hat sich nicht mehr so heiß angefühlt und hat gut geatmet.« Iris sprang auf und nahm Bastians Hand in ihre. »Lass uns zum See gehen. Pilze können sich überall im Wald verstecken, aber die Fische bleiben hundertprozentig im Wasser.«
Den ganzen Weg über hielten sie sich an den Händen und eine verrückt kichernde Stimme in ihrem Innern überzeugte Iris, dass ihr nichts passieren würde, solange sie Bastian nicht losließ. Als der See schließlich vor ihnen lag, tat sie es doch, damit sie sich die Schuhe ausziehen und die Füße ins Wasser halten konnte. Sie schloss die Augen. Das hier, das hatte sie sich in den vergangenen Monaten immer wieder vorgestellt. Dieses Gefühl von Frieden, ganz ohne Angst. Es würde nicht lang anhalten, all die Fragen um Warze, Sandra und Lars würden sich erneut in den Vordergrund drängen, doch dieser Moment war … göttlich.
Sie fühlte eine federleichte Berührung im Gesicht. »Weinst du?« Bastian fragte es leise, seine Hand wanderte weiter in ihr Haar und mit einem Mal hätte sie am liebsten wirklich losgeheult, sich an ihn geklammert und alle Anspannung herausgeschrien. Doch ihr Körper war schneller als sie, war unter der unerwarteten Berührung zusammengezuckt und zurückgewichen.
»Tut mir leid.« Sie hatten es beide gleichzeitig gesagt.
Er war irritiert von ihrer Reaktion, das war nicht zu übersehen, stellte aber trotzdem keine Fragen. Iris rückte wieder näher an ihn heran, wünschte sich seine Hand zurück, doch es war klar, dass er sie jetzt nicht noch einmal berühren würde.
»Es ist nur …« Sie suchte nach Worten. »Ich kenne dich nicht, weiß gar nichts über dich. Und auch wenn mein Gefühl mir sagt, dass du in Ordnung bist, kann ich mir das selbst nicht glauben. Mein Gefühl hat sich schon einmal als echter Idiot erwiesen.«
Sie sah, wie seine Mundwinkel sich ganz leicht hoben, ebenso seine Augenbrauen. »Was möchtest du denn gern über mich wissen?«
»Alles. So
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