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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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Pausbacken liefen Tränen und einen Moment lang wirkte Paul, als täte ihm seine Grobheit leid, doch dann wurde sein Blick starr. Seine Hände ließen von Ralf ab und er begann sich in Bewegung zu setzen, geschmeidig wie ein jagendes Raubtier.
    Ralf sackte in sich zusammen und Iris versuchte, ihn zu beruhigen. Die anderen waren mit sich selbst beschäftigt - niemand außer Bastian achtete auf Paul, der auf den Waldrand zusteuerte, wo Roderick lag, den Knochen halb aufgerichtet zwischen den Pfoten und in sicherem Abstand zu allen, die ihm seine Beute wegschnappen könnten.
    Ich hätte es Paul sagen müssen.
    Bastian rannte ihm hinterher, sah, wie Paul drohend auf den Hund zuging, der seinerseits nicht die Absicht hatte, von dem Knochen abzulassen. Pauls Hände ballten sich für einen kurzen Moment zu Fäusten, bevor er in den Schatten des Waldes eintauchte. Roderick sprang auf, den Knochen zwischen den Zähnen, aufmerksam und fluchtbereit. Nun versuchte Paul es mit Locken, mit schmeichelnden Worten, die den Hund zaghaft mit dem Schwanz wedeln ließen. Paul bückte sich, behielt den spielerischen Ton bei, pfiff leise - fast hätte Bastian übersehen, dass er gleichzeitig nach einem schweren Ast griff, mit wutverzerrtem Gesicht. Er würde doch nicht … aber warum nur, der Hund konnte doch nichts dafür …
    Der Ast schwang hoch.
    »Nicht!«, schrie Bastian. Pauls Kopf zuckte in seine Richtung. »Bist du verrückt?« Mit einer schnellen Bewegung verscheuchte Bastian Roderick, weg aus der Gefahrenzone.
    Paul ließ den Ast sinken, aber seine Miene war immer noch mordlüstern. »Hast du nicht gesehen, was er da frisst?«
    »Doch.«
    »Das ist so widerlich. Was, wenn der Knochen - also wenn er -«
    »Er ist nicht von Lars oder Warze. Oder Sandra. Bestimmt nicht, dann würde er frischer aussehen. Heller. Roderick muss ihn irgendwo gefunden haben. Vorhin, als wir suchen waren.«
    »Wo? Wo genau?«
    »Keine Ahnung, wir sind bei den Gräbern losgegangen und dann dem Dickicht ausgewichen. Roderick ist seine eigenen Routen gelaufen.« Er sah den Hund, der ganz klar mehr um seinen Knochen als um sein Leben besorgt war, nachdenklich an. »Du wolltest ihn wirklich erschlagen?«
    Paul ließ den Ast fallen. »Ein Reflex. Mich hat das so furchtbar geekelt. Danke, dass du mich abgehalten hast.«
    Wieder dieser Blick.
    »Schon gut. Es hätte mir für Alma und Arno leidgetan. Und für Roderick, der nicht weiß, woran er da nagt.« Nachdenklich betrachtete Bastian den am Boden liegenden Ast. »Woher weißt du es eigentlich?«
    »Um zu erkennen, dass der von einem Menschen ist, muss man nicht Medizin studieren«, gab Paul zurück. »Aber ich könnte dir nicht sagen, was es für einer ist. Ein sehr langer jedenfalls.«
    »Oberschenkel.«
    »Das hätte ich auch getippt.«
    Sie blickten beide zur Lichtung hinüber, wo alle damit beschäftigt waren, ihre Sachen zusammenzupacken.
    »Alma hat nichts mitbekommen, oder?«, wollte Paul wissen.
    »Nein, sonst wäre sie längst hier und hätte dich mit der Schöpfkelle erschlagen.«
    Sie lachten. Nur kurz, aber immerhin.
    Ein Reflex, dachte Bastian, als er zur Wiese zurückging. Er würde Alma beiseitenehmen und ihr raten, gut auf Roderick aufzupassen.

 
    D och das hatte Paul kurz darauf bereits selbst erledigt. Bastian beobachtete, wie Alma Roderick eine aus Lederriemen und Leinenstreifen improvisierte Leine anlegte. »Von wegen, mein Hund wildert«, grollte sie. »Weißt du, was Paul gesagt hat? Ich darf ihn nicht mehr frei laufen lassen. Aber egal, wir hauen hier sowieso ab.« Sie setzte sich unter einen Baum, weit weg von den madenverseuchten Vorratssäcken, und streichelte Roderick mit kurzen, hektischen Bewegungen.
    »Hier gehen doch alle auf dem Zahnfleisch«, sagte Iris. »Das gilt auch für mich. Wir sollten einfach zusammenpacken und abhauen, es ist noch lange genug hell. Wenn wir uns nicht verlaufen, können wir vor der Dämmerung an der Straße sein.«
    Bastian konnte in ihrem Gesicht die gleiche Unruhe erkennen, die er selbst zu unterdrücken versuchte. Ohne weiter darüber nachzudenken, nahm er sie in die Arme, hielt sie fest. Spürte, wie sie ausatmete. Wie sie ihren Kopf gegen seine Schulter lehnte.
    »Du hast recht, wir sollten uns beeilen«, sagte er in ihr Haar. »Aber was machen wir mit Steinchen? In seinem Zustand schafft er den Weg nie und tragen können wir ihn nicht. Wir haben es ja nur mit Mühe und Not geschafft, ihn in den Schatten zu legen.«
    Wie zur Bestätigung keuchte

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