Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
Vom Netzwerk:
Sie hat mich vor die Tür gesetzt und da war Simon … für mich da. Er war neunzehn, wir kannten uns über ein paar Freunde und er meinte, ich könne doch erst mal bei ihm einziehen. WG-mäßig. Ich habe mir nichts dabei gedacht.«
    Die grüne Libelle flog heran, ganz nah, ließ sich auf einem Farnwedel nieder. Jeder ihrer vier Flügel trug einen schwarzen Fleck am Rand.
    »Anfangs lief alles gut, die ersten paar Monate. Er war unglaublich nett und wir hatten so etwas wie eine lockere Beziehung, nichts allzu Ernstes. Doch nach und nach wurde es merkwürdig. Simon begann, jeden meiner Schritte zu kontrollieren, sich furchtbar aufzuregen, wenn ich mich verspätete oder nicht ans Handy ging. Er sagte, ich sei es ihm schuldig, mich an seine Regeln zu halten, er habe mich immerhin aufgenommen. Ich war pleite, konnte nirgendwo sonst hin, also versuchte ich, es ihm recht zu machen.«
    Mit ihren kurzen, hakenförmigen Ärmchen strich die Libelle sich über ihre Facettenaugen. Kleine, hastige Bewegungen. Immer wieder.
    »Es hat viel zu lange gedauert, bis ich begriffen habe, dass er wirklich irre ist. Eines Tages hat er mich nicht mehr weggelassen. Eingesperrt. Mir erklärt, dass wir für immer zusammengehören würden, und gedroht, die ganze Hütte anzuzünden, wenn ich ihm dumm kommen würde. Mit mir drin.«
    »Hast du nicht um Hilfe gerufen?«
    »Doch. Nur war leider niemand da, der es hätte hören können. Die Siedlung war fast völlig verlassen. Heruntergekommene Kleingärten, manche der Häuser knapp vor dem Einsturz. Außerdem reagierte Simon auf Hilferufe nicht allzu gut. Er ist ziemlich stark. Und … einfallsreich.«
    Er steht vor der Klotür und lässt mich nicht durch.
    » Sag bitte. «
    » Bitte. «
    Er rührt sich nicht vom Fleck. Er genießt es so sehr. »Diesmal nicht« , sagt er, »aber vielleicht beim nächsten Mal. Wenn du begriffen hast, zu wem du gehörst. «
    Bastians Stimme, weit weg. »Was meinst du mit einfallsreich?«
    » Und jetzt mach sauber. «
    »Egal. In seinem Haus gab es einen kleinen Holzofen, und wenn Simon Brennholz hackte, lief er den ganzen Tag mit der Axt in der Hand herum. Ab und zu schwang er sie in meine Richtung. Probehalber, meinte er.«
    Bastians Blick wanderte zu ihrer Schulter.
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Das war nicht die Axt. Das war ein scharfkantiges Holzscheit, mit dem er mir ein Messer aus der Hand schlagen wollte. Irgendwann hatte ich es mir gekrallt und wollte ihn damit zwingen, die Tür aufzusperren. War eine blöde Idee.«
    Die Erinnerung war da, als wäre es gestern passiert, lebendiger als jedes andere Ereignis in ihrem Leben. Der scharfe Schmerz. Dann Taubheit, im ganzen Arm. Der Boden, der langsam näher kam. Der Aufprall ihres Körpers und das Blut, von dem sie erst nicht wusste, wo es herkam. Bis sie den Kopf drehte und ihre Schulter sah …
    »Was ist danach passiert?«
    »Ich bekam Fieber, doch zum Arzt gehen war natürlich kein Thema. Simon kümmerte sich um mich - solange ich hilflos war, war er der Liebreiz in Person. Also spielte ich mit. Es ging mir längst wieder gut, aber ich tat, als wäre ich knapp am Verrecken. Und dann …« Sie konnte immer noch nicht daran denken, ohne dass die Welt vor ihren Augen flimmerte. »… dann ging er eines Tages in den Vorratskeller. Der hatte keine Tür, sondern eine Bodenklappe. Man musste über eine steile Treppe hinuntersteigen. Jedenfalls war er da unten und rumorte herum. Ich hatte es nicht geplant, aber ich wusste einfach in diesem Moment, dass das meine Chance war, also sprang ich aus dem Bett und warf die Klappe zu. Keine zwei Sekunden und ich hörte ihn brüllen und die Holzstufen hinaufpoltern. Also habe ich den Schrank umgeworfen, direkt auf die Klappe drauf. Das Teil war sauschwer, ich weiß bis heute nicht, wie ich es so schnell zum Kippen gebracht habe.«
    Bastian nickte. Mittlerweile hielt er Iris' Hand so fest, dass sie den Eindruck gewann, er brauche Halt.
    »Jedenfalls hatte ich dann genug Zeit, meine Sachen zusammenzupacken und zu verschwinden. Meine Harfe, weißt du? Ich wäre nie ohne meine Harfe abgehauen. Erst wollte ich ihn in seinem Keller versauern lassen - da gab es immerhin Vorräte. Aber die Nächte waren schon saukalt, also ging ich am übernächsten Tag zur Polizei und erzählte dort alles. Sagte ihnen, wo sie ihn finden würden und dass sie ihn verhaften sollten. Aber offenbar haben sie mir nicht geglaubt oder er hat zu gut gelogen. Jedenfalls hatte ich ihn drei Tage später

Weitere Kostenlose Bücher