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Saeculum

Titel: Saeculum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poznanski Ursula
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der heilige Franziskus, was auch Quatsch ist. Mein ganzer Plan ist eine Mischung aus Wut und Trotz und Besser-machen-Wollen. Ich kann es auch nicht richtig erklären. Ich kriege ihn nicht aus meinem System, weißt du? Ich habe das Gefühl, dass alles, was ich im Leben tue, einen Bezug zu ihm hat. Deshalb fühlt sich das meiste wie Dreck an.«
    Iris antwortete nicht, hob nur den Kopf, schmiegte sich an seinen Hals, sein Haar. Da war sein Mund. Sie fuhr mit ihren Fingern die Konturen nach, dann ließ sie ihre Lippen folgen.
    Er erwiderte ihren Kuss, erst mit Überraschung, dann mit Hunger, presste sie an sich. Für eine Weile füllte er ihre ganze Welt aus, so sehr, dass für Angst kein Platz mehr war.
    Als sie sich voneinander lösten, waren Bastians Augen eine Schattierung dunkler geworden.
    »Das hier«, flüsterte Iris, »hat nichts mit ihm zu tun. Das ist zwischen dir und mir, ganz allein.«
    Er nickte, schloss sie wieder in die Arme. »Trotzdem«, sagte er in ihr Haar, »musste ich eben daran denken, wie sehr er sich darüber aufregen würde.«
    »Über mich?«
    »Oh ja. Es sei denn, es stellt sich heraus, dass du eine Industriellentochter bist, möglichst mit adeligem Hintergrund und eigenem Personal. Dann könnte er dir sogar deine Frisur verzeihen.« Er lachte. »Bist du eine Industriellentochter?«
    »Nein.« Sie fuhr sich unwillkürlich mit der Hand über ihr Haar, ertastete die struppigen Stellen.
    Sein Gesicht wurde ernst. »Entschuldige. Das mit der Frisur habe ich nicht so gemeint.« Er nahm sie an den Schultern und hielt sie eine Armlänge vor sich, sah sie an, als würde er in ihren Augen etwas suchen. »Wer bist du dann?«
    Sie schwieg.
    »Ich möchte dich so gerne besser kennenlernen. Aber du sprichst nicht oft über dich, oder?«
    »Gut beobachtet.«
    Er nickte. »Was hältst du dann davon, wenn ich über dich spreche? Ich erzähle dir, was ich mir zusammengereimt habe, und du musst nur Ja oder Nein sagen.«
    War das in Ordnung? Iris wollte erst den Kopf schütteln, zuckte dann aber nur halbherzig mit den Schultern. Sollte er ruhig seine Fragen stellen. Im schlimmsten Fall konnte sie die Antwort immer noch verweigern. »Okay.«
    »Gut.« Bastian setzte sich im Schneidersitz hin, nahm ihre rechte Hand und hielt sie mit beiden Händen fest. »Beginnen wir mit dem Einfachsten. Du heißt Iris. Das ist doch dein richtiger Name?«
    »Ja.«
    »Du bist ungefähr … achtzehn Jahre alt.«
    »Siebzehn.«
    »Oh? Na gut, war aber nur knapp daneben.«
    »Ja.«
    Er überlegte. »Du spielst fantastisch Harfe, also nimmst du wahrscheinlich seit vielen Jahren Musikunterricht?«
    »Ja.« Aber schon lange nicht mehr, viel zu lange.
    »Die Musik ist dir wichtig und manchmal denkst du … sie ist das Einzige, woran du dich festhalten kannst.«
    Woher wusste er das? Sie blickte auf den Teich hinaus. »Ja.«
    »Du hast -« Er brach ab. Iris konnte fühlen, wie sehr er versuchte, nichts Falsches zu sagen. »Du hast vor etwas Angst. Oder vor jemandem.«
    Sie brachte kein Ja heraus. Nickte nur.
    »Du läufst vor ihm davon?«
    Wieder Nicken.
    »Und er folgt dir. Deshalb denkst du, das eine Gedicht wäre auf dich gemünzt gewesen.«
    »Ja.« Das Wort kam tonlos aus ihrem Mund.
    »Ich muss dir etwas gestehen«, sagte Bastian. Er war dazu übergegangen, ihre Finger zu streicheln, ihr Handgelenk, die Innenseiten ihrer Unterarme. »Als ich gestern Wasser vom Bach holen wollte, warst du schon vor mir da. Du hast dich gerade gewaschen und ich habe sofort kehrtgemacht, um dich nicht zu stören, aber …«
    Sie wusste, was jetzt kam. Blickte zu Boden.
    »… aber ich habe die Narbe an deiner Schulter gesehen.«
    Die Libellen von vorhin waren wieder da, sie hatten ihre Flugrichtung geändert, außerdem war eine dritte dazugekommen, die grün war, nicht blau. Sie schillerte in der Sonne und Iris musste daran denken, dass Libellen im Englischen dragonflies hießen. Drachenfliegen. Wie schön das klang.
    »Ist die Narbe von dem, der dich verfolgt?«
    Bastians Griff um ihre Hand war fester geworden. Hatte sie genickt?
    »Dein Vater?«
    »Nein.« Die Stimme, die das sagte, hörte sich gelassen an. »Mein Vater ist weit weg. Neuseeland angeblich. Es ist … ein Freund. Genauer gesagt jemand, den ich mal dafür gehalten habe.«
    Die größere der beiden blauen Libellen landete auf einem Halm, der aus dem Wasser wuchs. Er bog sich unter ihrem Gewicht, doch er trug.
    »Ich habe mich vor einem Jahr mit meiner Mutter zerstritten. Richtig heftig.

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