Saeculum
Steinchen auf, hustete im Schlaf und drehte seinen mächtigen Körper zur Seite.
»Du hast recht«, seufzte Iris. »Wir können nicht ohne ihn gehen. Aber mit ihm leider auch nicht.« Sie löste sich aus seinen Armen, sprang auf und lief zu Paul. Bastian sah sie gestikulieren und Paul nicken.
»Es gibt eine Besprechung«, verkündete Iris, als sie sich wieder neben Steinchen kniete und das nasse Tuch auf seinem Kopf wendete. »Ich glaube, Paul wird die Verantwortung für den ganzen Haufen hier langsam zu viel.«
Sie versammelten sich bei den runden Steinen in der Mitte der Wiese. Manche saßen, andere legten sich hin. Lisbeth wirkte so müde, als könne sie kaum noch die Augen offen halten. Die Beule an ihrer Stirn war ein Stück zurückgegangen, dafür aber dunkler geworden. Georg saß neben ihr und streichelte ihr Haar, ohne je den Blick von ihr abzuwenden, nicht einmal als Paul sich zu ihnen setzte und das Wort ergriff.
»Diese Con hier ist vorbei«, sagte er. »Wir sollten unsere Sachen packen und gehen, bevor noch mehr passiert.«
Die meisten nickten, Alma besonders heftig.
»Lasst uns abstimmen«, sagte Paul. »Der Form halber. Wer ist dafür, dass wir von hier verschwinden?« Alle Arme schossen in die Höhe.
»Das dachte ich mir. Gut. Nur ist es so, dass Steinchen krank geworden ist. Wir können ihn nicht hier liegen lassen, das wird allen klar sein. Für mich steht damit fest, dass ich bleibe - entweder bis er wieder laufen kann oder bis Hilfe kommt.«
Diesmal nickte niemand, im Gegenteil, sie wechselten alle beunruhigte Blicke.
»Du willst uns doch nicht allein durch den Wald schicken?«, fragte Ralf.
»Carina kann euch führen. Sie kennt das Gelände fast so gut wie ich, sie findet den richtigen Weg bestimmt. Ich muss mich auf jeden Fall um die Schwächsten der Gruppe kümmern. Im Moment ist das Steinchen.« Paul versuchte sichtlich angestrengt, sich ein Lächeln abzuringen. »Sobald ihr Handyempfang bekommt, informiert bitte die Polizei und sorgt dafür, dass sie einen Arzt mitbringen. Macht euch keine Sorgen, ihr bekommt keine Schwierigkeiten, ich werde sagen, dass alles meine Idee war. Was ja auch stimmt.«
Georg ergriff das Wort, ohne den Kopf zu heben. »Wir bleiben auch. Geht nicht anders. Lisbeth schafft den Weg zurück heute keinesfalls.«
»Dann kann es aber sein, dass ihr länger warten müsst als nur bis morgen. Ich habe keine Ahnung, wie schnell Steinchen sich erholt. Oder wie schnell Carina Hilfe herbeischaffen kann. Und wir wissen nicht, was hier los ist, also geht ihr ein ziemliches Risiko ein.«
»Ist mir klar.« Damit schien die Sache für Georg erledigt zu sein, und obwohl Lisbeth unglücklich wirkte, sagte sie kein Wort.
Paul fasste Bastian ins Auge. »Würdest du eventuell - ich meine, du kennst dich mit Krankheiten am besten aus -, würdest du auch bleiben?« Er lächelte entschuldigend. »Wegen Steinchen. Sonst würde ich dich nicht bitten. Ich kann verstehen, wenn du die Nase voll hast.«
»Ja, sicher.« Nur dass ich überhaupt nichts für ihn tun kann, wenn sein Zustand sich verschlechtert. Bastian horchte in sich hinein, suchte nach der Enttäuschung darüber, dass ein warmes Essen und ein weiches Bett wieder in weite Ferne gerückt waren. Fand nichts, außer einer leisen Traurigkeit, die Iris betraf. Sie würde gehen und er zurückbleiben. Er vermied es, sich zu ihr umzudrehen, sie sollte das nicht in seinen Augen lesen. Ich mag sie. Sehr. Wirklich sehr.
»Wenn Bastian bleibt, bleibe ich auch«, hörte er in diesem Moment Iris' Stimme zu seiner Linken. Nun sah er sie doch an, konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Sie grinste zurück, die Sonne fing sich in ihrem ungleichmäßig geschnittenen Haar, und Bastian versuchte, sich dieses Bild einzuprägen, es tief in sich hineinzustempeln.
»Also, wir wollen gehen, nicht wahr, Arno?« Etwas Weinerliches lag in Almas Stimme. »Jemand muss ja die Polizei informieren, damit Hilfe kommt, nicht?« Sie sah Paul flehend an. »Wir machen das gerne, wenn Carina uns den Weg zeigt. Das ist für alle in Ordnung, oder?«
»Ihr könnt euch die Diskussion sparen«, warf Doro ein. »Niemand wird diesen Ort verlassen. Habt ihr es immer noch nicht verstanden?«
»Red keinen Quatsch!«, schrie Alma. »Hör auf, uns ständig Angst zu machen. Wir gehen, nicht wahr, Arno? Wir gehen. Wer noch, außer uns? Ralf, du kommst mit, stimmt's?«
Ralf schüttelte zögerlich den Kopf, erklärte, er würde den Rückweg doch lieber unter Pauls
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