Saemtliche Dramen
in Menschengestalt lebt, dann starren wir voller Angst den Rest unseres Lebens diese Spinne an, und das ist alles, was von unserer Liebe bleibt …
( ALEXEJ JEGOROWITSCH kommt herein.)
ALEXEJ
Gnädiger Herr, gnädiger Herr, man hat … sie sind … (Hält inne, als er LISA sieht.) Ich … Herr Pjotr Werchowenski wünscht Sie zu sprechen.
STAWROGIN
Lisa, warte dort im Zimmer. ( LISA geht hinüber. ALEXEJ JEGOROWITSCH geht hinaus.) Lisa … ( LISA bleibt stehen.) Wenn du erfährst, dass etwas passiert ist, dann sollst du wissen: Der Schuldige bin ich.
( LISA sieht ihn entsetzt an und geht langsam rückwärts ins Nebenzimmer. PJOTR WERCHOWENSKI kommt herein.)
PJOTR
Als Erstes müssen Sie wissen, dass keinen von uns eine Schuld trifft. Es ist ein Zufall, ein Zusammentreffen unglücklicher Umstände. Juristisch gesehen kann niemand Sie belangen …
STAWROGIN
Sind sie verbrannt? Ermordet worden?
PJOTR
Ermordet. Leider ist das Haus nur zum Teil abgebrannt, man hat die Leichen gefunden, Lebjadkin mit durchgeschnittener Kehle, seine Schwester grauenhaft von Messerstichen entstellt. Sicher ein Landstreicher. Ich habe gehört, Lebjadkin hätte gestern Abend betrunken die fünfzehnhundert Rubel herumgezeigt, die ich ihm gegeben habe.
STAWROGIN
Sie haben ihm fünfzehnhundert Rubel gegeben?
PJOTR
Ja. Trifft sich gut, was? In Ihrem Auftrag.
STAWROGIN
In meinem Auftrag?
PJOTR
Ja. Ich hatte Angst, dass er uns denunziert, und da habe ich ihm das Geld gegeben, damit er nach Sankt Petersburg zieht … ( STAWROGIN geht mit abwesender Miene im Zimmer umher.) Hören Sie doch wenigstens zu, wie es passiert ist … (Er nimmt STAWROGIN beim Revers. STAWROGIN versetzt ihm einen kräftigen Schlag.) Au! Sie brechen mir ja den Arm! Nun gut … Kurz, er hat mit dem Geld angegeben, und Fedka hat es gesehen, das ist alles. Ich bin jetzt ganz sicher, dass es Fedka war. Offenbar hat er Ihre Absichten missverstanden …
STAWROGIN (eigenartig zerstreut)
Hat Fedka den Brand gelegt?
PJOTR
Nein. Nein. Sie wissen, unsere Gruppe hatte solche Brände geplant, ein sehr russisches, sehr volkstümliches Agitationsmittel … Aber nicht für so bald! Man hat meinen Befehlen zuwidergehandelt, ich muss drastisch durchgreifen. Dieses Unglück hat aber auch seine guten Seiten. Sie sind jetzt Witwer und können morgen schon Lisa heiraten. Wo ist sie eigentlich? Ich würde ihr gern die gute Nachricht mitteilen. ( STAWROGIN lacht unvermittelt, allerdings klingt es verloren.) Sie lachen?
STAWROGIN
Ja. Ich lache über meinen Affen, über Sie. Die gute Nachricht, weiß Gott! Haben Sie keine Angst, dass diese Leichen ihr die Laune verderben könnten?
PJOTR
Aber nein! Warum denn auch! Außerdem, juristisch gesehen … Und diese junge Frau ist nicht so leicht aus der Fassung zu bringen. Sie wird so kaltblütig über diese Leichen hinweggehen, dass Sie staunen. Und nach der Hochzeit vergisst sie das ohnehin sofort.
STAWROGIN
Es gibt keine Hochzeit. Lisa bleibt allein.
PJOTR
Nein? Ich habe beim Hereinkommen auf den ersten Blick gesehen, dass etwas schiefgegangen ist. Schade, schade. Völlig aussichtslos?
[Ich wette, Sie haben die ganze Nacht auf verschiedenen Stühlen gesessen und die kostbare Zeit damit vertan, über Erhabenes zu reden.]
Ich war sowieso sicher, dass das Ganze zu nichts Gescheitem führen würde. Gut. Ich kann sie ohne weiteres an Mawriki Nikolajewitsch verheiraten, der wartet draußen im Regen sicher schon auf sie, wetten? Von den anderen … den Ermordeten erzählen wir ihr lieber nichts, sie erfährt es ohnehin früh genug.
LISA (kommt herein)
Was werde ich erfahren? Wer ist ermordet worden? Was sagen Sie über Mawriki Nikolajewitsch?
PJOTR
Oh, junge Frau, haben wir an der Tür gelauscht?
LISA
Was ist mit Mawriki Nikolajewitsch? Ist er ermordet worden?
STAWROGIN
Nein, Lisa. Nur meine Frau und ihr Bruder.
PJOTR (eifrig)
Ein merkwürdiger, schrecklicher Zufall! Jemand hat den Brand genutzt, um sie zu töten und auszurauben. Sicher Fedka.
LISA
Nikolai? Sagt er die Wahrheit?
STAWROGIN
Nein.
( LISA stößt einen Schrei aus.)
PJOTR
Dieser Mann hat den Verstand verloren! Außerdem hat er die Nacht mit Ihnen verbracht. Also …
LISA
Nikolai, reden Sie so ehrlich, als stünden Sie nicht vor mir, sondern vor Gott. Sind Sie schuldig oder nicht? Ich werde Ihnen glauben, als wäre es Gottes Wort. Und ich werde Ihnen folgen, wie ein Hund, bis ans Ende der Welt.
STAWROGIN (langsam)
Ich habe nicht getötet,
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