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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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dem Müßiggang zugetan, das sieht man. Ich kann Untätigkeit nur in der Kaserne und in Warteschlangen zulassen. Diese Müßigkeit ist gut, sie macht Herz und Beine leer. Eine sinnlose Müßigkeit. Beeilung! Stellt meinen Turm auf, das Überwachungssystem ist sonst nicht fertig. Umgebt die Stadt mit Dornenhecken. Jedem sein eigener Frühling, meiner hat Rosen aus Stacheldraht. Facht die Öfen an, sie sind unsere Freudenfeuer. Wachen! Zeichnet Sterne an die Häuser, mit denen ich mich zu beschäftigen gedenke. Und Sie, meine Liebe, fertigen unsere Listen an und lassen die Existenzbescheinigungen ausstellen. (Die PEST geht zur anderen Seite ab.)
    DER FISCHER (der Anführer des Chors)
    Existenzbescheinigungen? Wozu denn so was?
    DIE SEKRETÄRIN
    Wozu? Wie wollen Sie ohne Existenzbescheinigung leben?
    DER FISCHER
    Bis jetzt haben wir sehr gut ohne gelebt.
    DIE SEKRETÄRIN
    Weil ihr nicht richtig regiert wurdet. Anders als jetzt. Und das Grundprinzip unserer Regierung ist eben, dass man immer eine Bescheinigung braucht. Auf Brot und Frauen kann man verzichten, aber ohne eine ordentliche Bescheinigung, die irgendetwas regelt, geht es auf gar keinen Fall.
    DER FISCHER
    Seit drei Generationen wirft meine Familie die Netze aus und hat immer sehr gut gearbeitet, ohne alle Papiere, glauben Sie mir!
    EINE STIMME
    Wir sind Metzger, vom Vater auf den Sohn, und um unsere Hammel zu schlachten, brauchen wir keine Bescheinigung.
    DIE SEKRETÄRIN
    Seht ihr, die reine Anarchie! Wohlgemerkt, wir haben nichts gegen Schlachthäuser, im Gegenteil! Aber wir haben auch dort eine lückenlose Buchhaltung eingeführt. Darin liegt unsere Überlegenheit. Und was das Fangnetz angeht, ihr werdet schon noch merken, das wissen wir nach Kräften zu gebrauchen.
    Herr Bürgermeister, haben Sie die Formulare?
    DER BÜRGERMEISTER
    Hier.
    DIE SEKRETÄRIN
    Wachen, würden Sie dem Herrn beim Vortreten helfen!
    (Der FISCHER wird nach vorn geschoben.)
    DER BÜRGERMEISTER (liest)
    Name, Vorname, Beruf.
    DIE SEKRETÄRIN
    Überspringen Sie die Selbstverständlichkeiten. Der Herr füllt die Lücken dann selbst aus.
    DER BÜRGERMEISTER
    Curriculum Vitae.
    DER FISCHER
    Ich verstehe nicht.
    DIE SEKRETÄRIN
    Hier müssen Sie die wichtigen Ereignisse in Ihrem Leben angeben. Eine Art, Sie kennenzulernen.
    DER FISCHER
    Mein Leben gehört mir. Das ist privat, das geht niemanden was an.
    DIE SEKRETÄRIN
    Privat! Solche Wörter kennen wir nicht. Es geht natürlich um Ihr öffentliches Leben. Übrigens das einzig gestattete. Herr Bürgermeister, gehen Sie zu den Details über.
    DER BÜRGERMEISTER
    Verheiratet?
    DER FISCHER
    Seit  31 .
    DER BÜRGERMEISTER
    Gründe der Eheschließung?
    DER FISCHER
    Gründe? Das ist ja wohl die Höhe.
    DIE SEKRETÄRIN
    So ist es vorgeschrieben. Eine gute Art, öffentlich zu machen, was nicht mehr persönlich sein darf.
    DER FISCHER
    Ich habe geheiratet, weil man das als Mann so tut.
    DER BÜRGERMEISTER
    Geschieden?
    DER FISCHER
    Nein, verwitwet.
    DER BÜRGERMEISTER
    Wieder geheiratet?
    DER FISCHER
    Nein.
    DIE SEKRETÄRIN
    Warum nicht?
    DER FISCHER (schreit)
    Ich habe meine Frau geliebt!
    DIE SEKRETÄRIN
    Seltsam. Warum?
    DER FISCHER
    Muss man alles erklären?
    DIE SEKRETÄRIN
    In einer gut organisierten Gesellschaft natürlich ja!
    DER BÜRGERMEISTER
    Vorleben?
    DER FISCHER
    Was soll das jetzt wieder sein?
    DIE SEKRETÄRIN
    Sind Sie wegen Plünderung, Meineid, Vergewaltigung vorbestraft?
    DER FISCHER
    Niemals!
    DIE SEKRETÄRIN
    Ein anständiger Mann, das habe ich mir gedacht! Herr Bürgermeister, notieren Sie: Zu überwachen.
    DER BÜRGERMEISTER
    Staatsbürgerliche Einstellung?
    DER FISCHER
    Ich habe immer meinen Mitbürgern gedient und nie einen Armen ohne einen guten Fisch gehen lassen.
    DIE SEKRETÄRIN
    Eine unzulässige Antwort!
    DER BÜRGERMEISTER
    Ich kann Ihnen helfen! Die staatsbürgerliche Einstellung fällt in mein Ressort. Mein Guter, hier geht es darum, ob Sie wie andere die bestehende Ordnung achten, aus dem einfachen Grund, dass sie besteht?
    DER FISCHER
    Wenn sie gut und gerecht ist – ja.
    DIE SEKRETÄRIN
    Höchst verdächtig! Notieren Sie: Zweifelhafte staatsbürgerliche Einstellung. Jetzt die letzte Frage.
    DER BÜRGERMEISTER (entziffert mühsam)
    Existenzberechtigung?
    DER FISCHER
    Meine Mutter soll verflucht sein, wenn ich dieses Chinesisch verstehe!
    DIE SEKRETÄRIN
    Sie müssen die Gründe angeben, warum Sie am Leben sind.
    DER FISCHER
    Die Gründe? Was für Gründe sollen das sein?
    DIE SEKRETÄRIN
    Da sieht man’s!

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