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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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schlägt DIEGO an die Achsel und zeichnet ihn abermals.) Sie waren verdächtig, jetzt sind Sie angesteckt. (Sie betrachtet DIEGO .) Schade. So ein hübscher Junge. (Zu VICTORIA ) Sie müssen entschuldigen, aber mir sind Männer lieber als Frauen, ich fühle mich mit ihnen verbunden. Guten Abend.
    ( DIEGO betrachtet entsetzt das zweite Mal. Er blickt irr um sich, dann springt er zu VICTORIA und drückt sie an sich.)
    DIEGO
    Ah! Ich hasse deine Schönheit, weil sie mich überleben wird! Ich verfluche sie, denn sie wird andere erfreuen! (Er presst sie an sich.) So! Jetzt bin ich nicht allein! Was soll mir deine Liebe, wenn sie nicht mit mir untergeht?
    VICTORIA (wehrt sich)
    Lass das! Du tust mir weh!
    DIEGO
    Ha! Du hast Angst! (Er lacht wie irr und schüttelt sie.) Wo sind die schwarzen Pferde der Liebe? Verliebt, solange die Sonne scheint, aber wenn das Unglück kommt, fliehen die Pferde! Stirb wenigstens mit mir!
    VICTORIA
    Mit dir ja, aber nie gegen dich! Mich widert das Gesicht voll Angst und Hass an, das du bekommen hast! Lass mich los! Lass mir die Freiheit, die alte Zärtlichkeit in dir zu suchen, dann kann mein Herz wieder sprechen.
    DIEGO (lässt sie halb los)
    Ich will nicht allein sterben! Das, was mir auf der Welt am liebsten ist, wendet sich von mir ab und will mir nicht folgen!
    VICTORIA (wirft sich ihm in die Arme)
    Ach, Diego, bis in die Hölle, wenn es sein muss! Ich finde dich wieder … Meine Beine zittern an deinen. Küss mich und erstick den Schrei, der tief aus meinem Leib steigt, der herauswill, der herauskommt … Ah!
    (DIEGO küsst sie leidenschaftlich, dann reißt er sich los und lässt sie zitternd mitten auf der Bühne stehen.)
    DIEGO
    Sieh mich an! Nein, nein, du hast nichts! Kein Mal! Dieser Wahnsinn hat keine Folgen!
    VICTORIA
    Komm zurück, jetzt zittere ich vor Kälte! Eben hat deine Brust meine Hände verbrannt, das Blut floss in mir wie eine Flamme! Aber jetzt …
    DIEGO
    Nein! Lass mich allein. Ich will mich von diesem Schmerz nicht ablenken lassen.
    VICTORIA
    Komm zurück! Ich will nur noch eins, vom selben Fieber verzehrt werden, dieselbe Wunde tragen, denselben Schrei im Mund!
    DIEGO
    Nein! Jetzt gehöre ich zu den anderen, zu den Gezeichneten! Ihr Leid entsetzt mich, erfüllt mich mit einem Ekel, der mich aus allem ausschloss. Aber jetzt teile ich ihr Unglück, sie brauchen mich.
    VICTORIA
    Wenn du sterben solltest, wäre ich auf die Erde eifersüchtig, der dein Körper dann gehört!
    DIEGO
    Du gehörst zur anderen Seite, zu denen, die leben werden!
    VICTORIA
    Ich kann bei dir bleiben, wenn du mich nur lange genug küsst!
    DIEGO
    Sie haben die Liebe verboten! Ah! Ich sehne mich mit aller Kraft nach dir!
    VICTORIA
    Nein! Nein! Bloß nicht! Mir ist klar, was sie wollen. Alles, was sie tun, soll dafür sorgen, dass die Liebe unmöglich wird. Aber ich werde stärker sein.
    DIEGO
    Ich bin nicht stärker. Und ich wollte alles mit dir teilen, aber keine Niederlage!
    VICTORIA
    Ich bin unversehrt! Ich kenne nur meine Liebe! Nichts kann mir mehr Angst machen, und selbst wenn der Himmel einstürzen sollte, ich würde im Untergehen mein Glück hinausrufen, solange ich nur deine Hand halten kann.
    (Man hört Schreie.)
    DIEGO
    Die anderen schreien auch.
    VICTORIA
    Ich bin taub bis in den Tod!
    DIEGO
    Da!
    (Der Leichenkarren fährt vorüber.)
    VICTORIA
    Meine Augen sehen nichts mehr! Sie sind blind vor Liebe.
    DIEGO
    Aber der Schmerz ist in dem Himmel, der auf uns lastet.
    VICTORIA
    Ich habe an meiner Liebe genug zu tragen, da muss ich mir nicht noch den Schmerz der Welt aufbürden! Das ist eine Männeraufgabe, eine von diesen vergeblichen, fruchtlosen, starrsinnigen Aufgaben, die ihr euch vornehmt, um euch von dem einzig wirklich schwierigen Kampf, dem einzigen Sieg abzulenken, auf den ihr stolz sein könntet.
    DIEGO
    Was soll ich auf dieser Welt besiegen außer dem Unrecht, das uns zugemutet wird?
    VICTORIA
    Das Unglück, das in dir ist! Und alles andere folgt von selbst.
    DIEGO
    Ich bin allein. Das Unglück ist zu groß für mich.
    VICTORIA
    Ich bin bei dir, bin bereit, dir beizustehen!
    DIEGO
    Du bist so schön, und ich würde dich so lieben, wenn meine Angst nicht so groß wäre.
    VICTORIA
    Deine Angst wäre klein, wenn du mich wirklich lieben würdest!
    DIEGO
    Ich liebe dich. Aber ich weiß nicht, wer recht hat.
    VICTORIA
    Derjenige, der keine Angst hat. Und mein Herz ist nicht ängstlich! In ihm brennt eine einzige helle, hohe Flamme, wie eines von den Feuern, mit denen die

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