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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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tragen müssen, die die Männer angeblich mit ihrem Stolz verändern. Ah! Wenn schon nicht alles gerettet werden kann, versuchen wir wenigstens, das Haus der Liebe zu bewahren! Ob Pest, ob Krieg, auch wenn alle Tore verschlossen sind, werden wir uns bis zum Ende verteidigen mit euch an unserer Seite. Statt dieses von Ideen bevölkerten, von Worten genährten einsamen Todes werdet ihr den gemeinsamen Tod kennenlernen, ihr und wir in der ungeheuren Umarmung der Liebe! Aber den Männern sind die Ideen lieber. Sie fliehen ihre Mütter, lösen sich von der Geliebten und rennen ins Abenteuer, verwundet ohne Wunde, tot ohne Dolch, als Schattenjäger, einsame Sänger, die unter einem stummen Himmel eine unmögliche Vereinigung suchen und von Einsamkeit zu Einsamkeit wandern, dem letzten Alleinsein entgegen, dem Tod mitten in der Wüste!
    ( DIEGO stirbt. Die FRAUEN klagen, während der Wind ein wenig stärker bläst.)
    DIE SEKRETÄRIN
    Weint nicht, ihr Frauen. Die Erde ist sanft zu denen, die sie sehr geliebt haben. (Sie geht.)
    ( VICTORIA und die FRAUEN tragen DIEGO zur Seite.
    Die Hintergrundgeräusche sind lauter geworden. Eine neue Musik bricht los, und man hört NADA auf den Befestigungen schreien.)
    NADA
    Da sind sie! Die Alten kommen, die von früher, die von immer, die Versteinerten, die Ruhespender, die Bequemen, die Sackgassen, die Geschniegelten, kurz und gut, die Tradition, gesetzt, blühend und frisch rasiert. Allgemeine Erleichterung, wir können von vorn beginnen. Bei null natürlich. Da kommen die kleinen Schneider des Nichts, ihr werdet alle nach Maß eingekleidet. Nur nicht drängeln, ihre Methode ist die beste von allen. Statt denen die Münder zu stopfen, die ihr Unglück hinausschreien, verstopfen sie sich selbst die Ohren. Wir waren stumm, wir werden taub. Fanfare. Achtung, es kommen die zurück, die die Geschichte schreiben. Man wird sich um die Helden kümmern. Sie ins Kühle bringen: ins Grab. Beklagt euch nicht: Die Gesellschaft über dem Grab ist wirklich zu durcheinander. (Im Hintergrund pantomimische Darstellung offizieller Zeremonien.) Schaut es euch an, was denkt ihr, dass sie da tun: Sie behängen sich mit Orden. Die Festmahle des Hasses sind immer noch nicht beendet, das tote Holz der Galgen bedeckt die müde Erde, das Blut derer, die ihr die Gerechten nennt, prangt noch an den Wänden der Welt, und was tun sie: Sie behängen sich mit Orden! Freut euch, ihr werdet Lobreden hören. Aber bevor die Tribüne gebaut wird, fasse ich euch rasch meine eigene Rede zusammen: Er dort, den ich mochte, obwohl er das nicht wollte, er ist sinnlos gestorben. (Der FISCHER stürzt sich auf NADA . Die WACHEN nehmen ihn fest.) Siehst du, Fischer, die Regierungen vergehen, die Polizei bleibt bestehen. Es gibt doch eine Gerechtigkeit.
    DER CHOR
    Nein, es gibt keine Gerechtigkeit, sondern es gibt Grenzen. Und wer behauptet, er würde gar nichts regeln, übertritt ebenso diese Grenzen wie derjenige, der alles restlos regeln will. Öffnet die Tore, Salz und Wind wollen diese Stadt reinigen.
    (Durch die geöffneten Tore weht der Wind immer stärker.)
    NADA
    Es gibt eine Gerechtigkeit, aber eine, die mich anwidert. Ja, ihr werdet neu anfangen. Aber das geht mich nichts mehr an. Verlasst euch nicht darauf, dass ich euch den perfekten Schuldigen liefere, Schwermut ist nicht meine Sache. O alte Welt, es heißt Abschied nehmen, deine Henker sind müde, ihr Hass ist erkaltet. Ich weiß zu vieles, sogar die Verachtung hat ein Ende. Lebt wohl, liebe Leute, eines Tages werdet ihr lernen, dass man nicht gut leben kann mit dem Wissen, dass der Mensch nichts und Gottes Gesicht schrecklich ist.
    (Im zum Sturm auffrischenden Wind rennt NADA auf die Mole hinaus und wirft sich ins Meer. Der FISCHER läuft hinter ihm her.)
    DER FISCHER
    Er ist gefallen. Die tobenden Wellen schlagen ihn und ertränken ihn in ihren Mähnen. Sein verlogener Mund füllt sich mit Salz und ist endlich still. Schaut, das wütende Meer hat die Farbe der Anemonen. Es rächt uns. Seine Wut ist unsere. Es ruft nach dem Bündnis aller Menschen des Meeres, der Vereinigung der Einsamen. O Welle, o Meer, Heimat der Aufständischen, hier ist dein Volk, und es wird niemals aufgeben. Die gewaltige, von der Bitterkeit der Wasser genährte Grundwelle spült eure schrecklichen Städte weg.
    Vorhang

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    Die Gerechten
    Schauspiel in fünf Akten
    Vorbemerkung
    Im Februar 1905 plante eine Gruppe von Terroristen, Mitgliedern der Partei der

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