Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
Vom Netzwerk:
Theater. Pavel wird bald den genauen Tag wissen und beim Portier eine Nachricht hinterlassen. (Wendet sich lachend zu DORA ) Wir haben Glück, Dora.
    DORA (sieht ihn an)
    Bist du kein Hausierer mehr? Du siehst so herrschaftlich aus. Schön bist du. Fehlt dir deine Lammfelljacke nicht?
    KALJAJEW (lacht)
    Du hast recht, ich war sehr stolz darauf.
    (Zu STEPAN und ANNENKOW ) Erst habe ich zwei Monate lang die Hausierer beobachtet, dann einen Monat lang auf meinem kleinen Zimmer geübt. Meine Kollegen haben nie den geringsten Verdacht geschöpft. «Ein Mordskerl», sagten sie, «der könnte sogar dem Zaren die Pferde von der Kutsche weg verkaufen.» Und sie versuchten, mich ihrerseits nachzumachen.
    DORA
    Da hast du natürlich gelacht.
    KALJAJEW
    Du weißt ja, ich kann nicht anders. Diese Verkleidung, das ganze neue Leben … das war schon alles sehr lustig.
    DORA
    Ich mag Verkleidungen nicht. (Deutet auf ihr Kleid) Und dann so ein Luxusfetzen! Borja hätte etwas anderes für mich finden sollen. Wie eine Schauspielerin! Dabei bin ich so schlicht.
    KALJAJEW (lacht)
    Du bist sehr hübsch in diesem Kleid.
    DORA
    Hübsch! Hübsch wäre ich schon gern. Aber daran darf ich nicht denken.
    KALJAJEW
    Warum nicht? Deine Augen sind immer so traurig, Dora. Du sollst fröhlich sein, du sollst stolz sein. Es gibt doch Schönheit und Freude! «An jenen stillen Orten, wo mein Herz sich so sehr nach dir sehnte …»
    DORA
    «… da atmete ewigen Sommer ich …»
    KALJAJEW
    Oh! Dora, du erinnerst dich an diese Verse! Und du lächelst! Ich bin so glücklich …
    STEPAN (unterbricht ihn)
    Wir vergeuden unsere Zeit. Borja, ich nehme an, der Portier muss verständigt werden?
    ( KALJAJEW sieht ihn erstaunt an.)
    ANNENKOW
    Ja. Dora, gehst du hinunter? Vergiss das Trinkgeld nicht. Woinow hilft dir nachher, im Zimmer das Material vorzubereiten.
    ( DORA und WOINOW gehen ab, jeder zu einer anderen Seite. STEPAN geht mit entschlossenen Schritten auf ANNENKOW zu.)
    STEPAN
    Ich will die Bombe werfen.
    ANNENKOW
    Nein, Stepan. Wer wirft, ist schon entschieden.
    STEPAN
    Bitte. Du weißt, was es für mich bedeutet.
    ANNENKOW
    Nein. Es ist so angeordnet, fertig.
    (Pause.)
    Ich werfe sie auch nicht, ich werde hier warten. Die Bestimmungen sind hart.
    STEPAN
    Wer wird die erste Bombe werfen?
    KALJAJEW
    Ich. Und Woinow die zweite.
    STEPAN
    Du?
    KALJAJEW
    Überrascht dich das? Du vertraust mir wohl nicht?
    STEPAN
    Es braucht Erfahrung.
    KALJAJEW
    Erfahrung? Du weißt genau, man wirft immer nur einmal, und danach … Noch nie hat jemand ein zweites Mal geworfen.
    STEPAN
    Es braucht eine sichere Hand.
    KALJAJEW (zeigt seine Hand)
    Schau. Glaubst du, sie wird zittern?
    ( STEPAN wendet sich ab.)
    Sie wird nicht zittern. Was denn! Ich soll den Tyrannen vor mir haben und zögern? Wie kannst du so etwas denken? Und selbst wenn mein Arm zittern würde, ich wüsste eine Methode, den Großfürsten auf jeden Fall zu töten.
    ANNENKOW
    Wie denn?
    KALJAJEW
    Indem ich mich vor die Pferde stürze.
    ( STEPAN zuckt mit den Schultern und setzt sich im Hintergrund hin.)
    ANNENKOW
    Nein, das ist nicht nötig. Du müsstest versuchen zu fliehen. Die Organisation braucht dich, du musst dafür sorgen, dass du überlebst.
    KALJAJEW
    Ich werde gehorchen, Borja! Welche Ehre, welche Ehre für mich! Oh! Ich werde mich würdig erweisen.
    ANNENKOW
    Stepan, du wirst auf der Straße warten, während Janek und Alexej nach der Kutsche Ausschau halten. Du wirst in regelmäßigen Abständen vor unsere Fenster kommen; wir vereinbaren ein Zeichen. Dora und ich warten hier den Augenblick ab, in dem wir die Proklamation verlesen. Ein wenig Glück, und der Großfürst ist dann beseitigt.
    KALJAJEW (begeistert)
    Ja, ich werde ihn beseitigen! Welch ein Glück, wenn es gelingt! Der Großfürst ist ja noch gar nichts! Wir müssen noch viel höher zielen!
    ANNENKOW
    Zuerst der Großfürst.
    KALJAJEW
    Und wenn es misslingt, Borja? Ich finde, wir müssten es machen wie die Japaner.
    ANNENKOW
    Wie meinst du das?
    KALJAJEW
    Im Krieg ergaben die Japaner sich nicht. Sie nahmen sich das Leben.
    ANNENKOW
    Nein. Denk nicht an Selbstmord.
    KALJAJEW
    Woran denn?
    ANNENKOW
    An weiteren Terror.
    STEPAN (spricht im Hintergrund)
    Um sich das Leben zu nehmen, muss man sich selbst sehr lieben. Ein wahrer Revolutionär kann sich nicht lieben.
    KALJAJEW (dreht sich lebhaft um)
    Ein wahrer Revolutionär? Warum greifst du mich an? Habe ich dir etwas getan?
    STEPAN
    Ich kann Leute nicht leiden, die sich der Revolution aus

Weitere Kostenlose Bücher