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Saemtliche Dramen

Saemtliche Dramen

Titel: Saemtliche Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Camus
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lauter Langeweile anschließen.
    ANNENKOW
    Stepan!
    STEPAN (steht auf und kommt zu ihnen)
    Ja, ich bin rücksichtslos. Aber für mich ist der Hass kein Spiel. Wir sind nicht hier, um einander zu bewundern. Wir sind hier für den Erfolg.
    KALJAJEW (sanft)
    Warum beleidigst du mich? Woher willst du wissen, dass ich mich langweile?
    STEPAN
    Ich weiß nicht. Du änderst das Klingelzeichen, du spielst gern den Hausierer, du sagst Gedichte auf, du willst dich vor die Pferde stürzen, und jetzt auch noch Selbstmord … (Sieht KALJAJEW an) Ich habe kein Vertrauen zu dir.
    KALJAJEW (beherrscht)
    Du kennst mich nicht, Bruder. Ich liebe das Leben. Ich langweile mich nicht. Ich habe mich der Revolution angeschlossen, weil ich das Leben liebe.
    STEPAN
    Ich liebe nicht das Leben, sondern die Gerechtigkeit, die über dem Leben steht.
    KALJAJEW (mit sichtbarer Anstrengung)
    Jeder dient der Gerechtigkeit, wie er kann. Wir müssen respektieren, dass wir verschieden sind. Wir müssen uns lieben, wenn wir können.
    STEPAN
    Das können wir nicht.
    KALJAJEW (explodiert)
    Was machst du dann hier?
    STEPAN
    Ich bin gekommen, um einen Mann zu töten, nicht um ihn zu lieben oder zu respektieren, dass er anders ist.
    KALJAJEW (heftig)
    Du wirst ihn nicht allein töten und auch nicht ohne Grund. Du wirst ihn gemeinsam mit uns töten und im Namen des russischen Volkes. Das ist deine Rechtfertigung.
    STEPAN (ebenfalls heftig)
    Ich brauche keine. Ich habe meine Rechtfertigung seit einer Nacht vor drei Jahren als Gefangener, und sie gilt für immer. Und ich dulde es nicht, wenn …
    ANNENKOW
    Es reicht! Seid ihr verrückt geworden? Habt ihr vergessen, wer wir sind? Brüder, die sich miteinander vereinen, die den Tod der Tyrannen wollen und die Befreiung des Landes! Wir töten gemeinsam, nichts kann uns trennen.
    (Pause. Er schaut sie an.)
    Komm, Stepan, wir müssen die Zeichen verabreden.
    ( STEPAN geht ab. Zu KALJAJEW ) Kümmer dich nicht um ihn. Stepan hat viel durchgemacht. Ich werde mit ihm reden.
    KALJAJEW (sehr blass)
    Er hat mich beleidigt, Borja.
    DORA (kommt herein, bemerkt KALJAJEWS Ausdruck)
    Was ist passiert?
    ANNENKOW
    Nichts.
    DORA
    Was ist passiert?
    KALJAJEW
    Wir sind schon aneindergeraten. Er kann mich nicht leiden.
    DORA (setzt sich neben ihn. Stille.)
    Ich glaube, er mag niemanden. Wenn alles vorbei ist, wird er glücklicher sein. Sei nicht traurig.
    KALJAJEW
    Ich bin aber traurig. Ich will von euch allen geliebt werden, ich brauche das. Ich habe für die Organisation alles aufgegeben. Wie soll ich es da ertragen, wenn meine Brüder sich von mir abwenden? Manchmal kommt es mir vor, als würden sie mich nicht verstehen. Ist das meine Schuld? Ich weiß, ich bin ungeschickt …
    DORA
    Sie mögen dich und verstehen dich. Stepan ist anders.
    KALJAJEW
    Nein, ich weiß, was er denkt. Schweitzer hat das auch schon gesagt: «Zu besonders für einen Revolutionär.» Ich möchte ihnen so gern klarmachen, dass ich nicht besonders bin. Sie finden mich ein bisschen verrückt, zu impulsiv. Dabei glaube ich genauso fest wie sie an die Idee. Genau wie sie will ich mich opfern. Auch ich kann geschickt sein, verschwiegen, listig und tüchtig. Aber ich finde trotzdem das Leben immer noch wunderbar. Ich liebe die Schönheit, das Glück! Deswegen hasse ich ja das Despotentum. Wie soll ich ihnen das klarmachen? Die Revolution, natürlich! Aber eine Revolution für das Leben, um dem Leben eine Chance zu geben, verstehst du?
    DORA (begeistert)
    Ja … (Leiser, nach einer kurzen Pause) Trotzdem, wir werden töten.
    KALJAJEW
    Wer, wir? Ach so, du meinst … Das ist nicht dasselbe. Oh nein! Absolut nicht dasselbe. Außerdem töten wir, um eine Welt zu errichten, in der niemand mehr töten wird! Wir nehmen es auf uns, Verbrecher zu sein, damit es endlich nur noch Unschuldige auf der Erde gibt.
    DORA
    Und wenn es anders wäre?
    KALJAJEW
    Sei still, du weißt, das ist unmöglich. Dann hätte ja Stepan recht. Und man müsste der Schönheit ins Gesicht spucken.
    DORA
    Ich bin schon länger als du Mitglied in der Organisation. Ich weiß, dass nichts einfach ist. Aber du hast den Glauben … Wir alle brauchen Glauben.
    KALJAJEW
    Glauben? Nein. Den hatte nur einer.
    DORA
    Du besitzt innere Größe. Und du wirst dich nicht aufhalten lassen, wirst ganz bis zum Ende gehen. Warum wolltest unbedingt du die erste Bombe werfen?
    KALJAJEW
    Kann man von Terrorakt sprechen, wenn man nicht daran teilnimmt?
    DORA
    Nein.
    KALJAJEW
    Man muss in der vordersten Reihe

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