Sämtliche Werke
ihr nichts? Graf Egmont! Dem Grafen Egmont Reverenz!
Egmont .
Auch hier? Was fangt ihr an? Bürger gegen Bürger! Hält sogar die Nähe unsrer königlichen Regentin diesen Unsinn nicht zurück? Geht auseinander, geht an euer Gewerbe. Es ist ein übles Zeichen, wenn ihr an Werktagen feiert. Was war’s?
(Der Tumult stillt sich nach und nach, und alle stehen um ihn herum.)
Zimmermeister .
Sie schlagen sich um ihre Privilegien.
Egmont .
Die sie noch mutwillig zertrümmern werden – Und wer seid Ihr? Ihr scheint mir rechtliche Leute.
Zimmermeister .
Das ist unser Bestreben.
Egmont .
Eures Zeichens?
Zimmermeister .
Zimmermann und Zunftmeister.
Egmont .
Und Ihr?
Soest .
Krämer.
Egmont .
Ihr?
Jetter .
Schneider.
Egmont .
Ich erinnere mich, Ihr habt mit an den Livreen für meine Leute gearbeitet. Euer Name ist Jetter.
Jetter .
Gnade, dass Ihr Euch dessen erinnert.
Egmont .
Ich vergesse niemanden leicht, den ich einmal gesehen und gesprochen habe. – Was an euch ist, Ruhe zu erhalten, Leute, das tut; ihr seid übel genug angeschrieben. Reizt den König nicht mehr, er hat zuletzt doch die Gewalt in Händen. Ein ordentlicher Bürger, der sich ehrlich und fleißig nährt, hat überall so viel Freiheit, als er braucht.
Zimmermeister .
Ach wohl! Das ist eben unsre Not! Die Tagdiebe, die Söffer, die Faulenzer, mit Euer Gnaden Verlaub, die stänkern aus Langeweile und scharren aus Hunger nach Privilegien und lügen den Neugierigen und Leichtgläubigen was vor, und um eine Kanne Bier bezahlt zu kriegen, fangen sie Händel an, die viel tausend Menschen unglücklich machen. Das ist ihnen eben recht. Wir halten unsre Häuser und Kasten zu gut verwahrt; da möchten sie gern uns mit Feuerbränden davon treiben.
Egmont .
Allen Beistand sollt ihr finden; es sind Maßregeln genommen, dem Übel kräftig zu begegnen. Steht fest gegen die fremde Lehre und glaubt nicht, durch Aufruhr befestige man Privilegien. Bleibt zu Hause; leidet nicht, dass sie sich auf den Straßen rotten. Vernünftige Leute können viel tun.
(Indessen hat sich der größte Haufen verlaufen.)
Zimmermeister .
Danken Euer Exzellenz, danken für die gute Meinung! Alles, was an uns liegt. (Egmont ab.) Ein gnädiger Herr! Der echte Niederländer! Gar so nichts Spanisches.
Jetter .
Hätten wir ihn nur zum Regenten! Man folgt ihm gerne.
Soest .
Das lässt der König wohl sein. Den Platz besetzt er immer mit den Seinigen.
Jetter .
Hast du das Kleid gesehen? Das war nach der neuesten Art, nach spanischem Schnitt.
Zimmermeister .
Ein schöner Herr!
Jetter .
Sein Hals wär’ ein rechtes Fressen für einen Scharfrichter.
Soest .
Bist du toll? Was kommt dir ein!
Jetter .
Dumm genug, dass einem so etwas einfällt. – Es ist mir nun so. Wenn ich einen schönen langen Hals sehe, muss ich gleich wider Willen denken: Der ist gut köpfen. – Die verfluchten Exekutionen! Man kriegt sie nicht aus dem Sinne. Wenn die Bursche schwimmen, und ich seh’ einen nackten Buckel, gleich fallen sie mir zu Dutzenden ein, die ich habe mit Ruten streichen sehen. Begegnet mir ein rechter Wanst, mein’ ich, den säh’ ich schon am Pfahl braten. Des Nachts im Traume zwickt mich’s an allen Gliedern; man wird eben keine Stunde froh. Jede Lustbarkeit, jeden Spaß hab’ ich bald vergessen; die fürchterlichen Gestalten sind mir wie vor die Stirne gebrannt.
(Egmonts Wohnung.)
Sekretär an einem Tisch mit Papieren: Er steht unruhig auf.
Sekretär .
Er kommt immer nicht, und ich warte schon zwei Stunden, die Feder in der Hand, die Papiere vor mir; und eben heute möcht’ ich gern so zeitig fort. Es brennt mir unter den Sohlen! Ich kann vor Ungeduld kaum bleiben. „Sei auf die Stunde da,“ befahl er mir noch, ehe er wegging; nun kommt er nicht. Es ist so viel zu tun, ich werde vor Mitternacht nicht fertig. Freilich sieht er einem auch einmal durch die Finger. Doch hielt’ ich’s besser, wenn er strenge wäre und ließe einen auch wieder zur bestimmten Zeit. Man könnte sich einrichten. Von der Regentin ist er nun schon zwei Stunden weg; wer weiß, wen er unterwegs angefasst hat.
Egmont tritt auf.
Egmont .
Wie sieht’s aus?
Sekretär .
Ich bin bereit, und drei Boten warten.
Egmont .
Ich bin dir wohl zu lang’ geblieben; du machst ein verdrießlich Gesicht.
Sekretär .
Euerm Befehl zu gehorchen, wart’ ich schon lange. Hier sind die Papiere!
Egmont .
Donna Elvira wird böse auf mich werden, wenn sie hört, dass ich dich abgehalten
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