Sämtliche Werke
Weide gehen,
Da mag er bekehren und lehren schön!
Nachbar Würzkrämer (kommt lachend außer Atem) .
Gott grüß’ euch, edles junges Paar!
Der Pfaff’ ist rasend ganz und gar,
Läuft wie wütig hinter mir drein.
Ich führt’ ihn draußen zu den Schwein’;
Sperrt’ Maul und Augen auf der Matz,
Als ich ihm sagt’, er wär’ am Platz:
Er säh’, sie redten durch die Nasen,
Hätten Bäuche sehr aufgeblasen,
Wären unfreundlich, grob und liederlich,
Schnauzten und bissen sich unbrüderlich,
Lebten ohne Religion und Gott
Und Ordnung wie jene Hottentott;
Möcht’ sie nun machen all honett
Und die Frömmst’ nehmen mit zu Bett.
Hauptmann .
Tät er drauf wacker rasen?
Würzkrämer .
Viel Flüch’ und Schimpf aus’m Rachen blasen.
Da kommt er ja gelaufen schon.
Pfaff’ (außer Atem) .
Wo hat der Teufel den Kujon?
(Erschrickt, da er den Hauptmann sieht.)
Hauptmann .
Herr Pfaff’! Erkennt Er nun die Schlingen?
Sollt’ Ihm wohl noch ein Gratias singen,
Doch mag ER frei seiner Wege gahn;
Nur hör’ Er noch zwei Wörtchen an:
Er meint, die Welt könnt’ nicht bestehen,
Wenn Er nicht tät’ drauf herum hergehen;
Bildt sich ein wunderliche Streich’
Von seinem himmlisch geist’gen Reich;
Meint, Er wolle die Welt verbessern,
Ihre Glückseligkeit vergrößern,
Und lebt ein jedes doch fortan,
So übel und so gut es kann.
Er denkt, Er trägt die Welt auf’m Rücken;
Fäng’ Er uns nur einweil die Mücken!
Aber da ist nichts recht und gut,
Als was Herr Pater selber tut.
Tät’ gerne eine Stadt abbrennen,
Weil Er sie nicht hat bauen können;
Findt’s verflucht, dass, ohn’ Ihn zu fragen,
Die Sonne sich auf und ab kann wagen.
Doch Herr! Damit Er uns beweist,
Dass ohne Ihn die Erde reißt,
Zusammenstürzen Berg und Tal,
Probier’ Er’s nur, und sterb’ Er einmal;
Und wenn davon auf der ganzen Welt
Ein Schweinstall nur zusammenfällt,
So erklär’ ich Ihn für einen Propheten,
Will Ihn mit all meinem Haus anbeten.
(Der Pfaff’ zieht ab.)
Hauptmann .
Und du, geliebtes Lorchen mein,
Warst gleich ei’m Wickelkindelein,
Das schreit nach Brei und Suppe lang,
Des wird der Mutter angst und bang:
Ihr Brei ist noch nicht gar und recht;
Drum nimmt sie schnell ein Lümpchen schlecht
Und kaut ein Zuckerbrot hinein
Und steckt’s dem Kind ins Mündelein.
Da saugt’s und zutscht denn um sein Leben,
Will ihm aber keine Sättigung geben;
Es zieht erst allen Zucker aus
Und speit den Lumpen wieder aus.
So lasst uns denn den Schnacken belachen
Und gleich von Herzen Hochzeit machen.
Ihr Jungfrauen, lasst euch nimmer küssen
Von Pfaffen, die sonst nichts wollen noch wissen;
Denn wer möchte’ einen zu Tische laden
Auf den bloßen Geruch von einem Braten?
Es gehört zu jeglichem Sakrament
Geistlicher Anfang, leiblich Mittel, fleischlich
*
Johann Wolfgang Goethe
Das Jahrmarktsfest zu
Plundersweilern
Ein Schönbartspiel
entstanden 1773 & 1778, veröffentlicht 1789,
uraufgeführt am 20.10.1778 in Ettersburg *
Marktschreier .
Werd’s rühmen und preisen weit und breit,
Daß Plundersweilern dieser Zeit
Ein so hochgelahrter Doktor ziert,
Der seine Kollegen nicht schikaniert.
Habt Dank für den Erlaubnisschein!
Hoffe, Ihr werdet zugegen sein,
Wenn wir heut abend auf allen vieren
Das liebe Publikum amüsieren.
Ich hoff, es soll Euch wohl behagen;
Geht’s nicht vom Herzen, so geht’s vom Magen.
Doktor .
Herr Bruder, Gott geb Euch seinen Segen,
Unzählbar, in Schnupftuchs-Hagelregen.
Den Profit kann ich Euch wohl gönnen;
Weiß, was im Grunde wir alle können.
Läßt sich die Krankheit nicht kurieren,
Muß man sie eben mit Hoffnung schmieren.
Die Kranken sind wie Schwamm und Zunder;
Ein neuer Arzt tut immer Wunder.
Was gebt Ihr für eine Komödia?
Marktschreier .
Herr, es ist eine Tragödia,
Voll süßer Worten und Sittensprüchen;
Hüten uns auch vor Zoten und Flüchen,
Seitdem in jeder großen Stadt
Man überreine Sitten hat.
Doktor .
Da wird man sich wohl ennuyieren!
Marktschreier .
Könnt ich nur meinen Hanswurst kurieren;
Der macht’ Euch sicher große Freud,
Weil Ihr davon ein Kenner seid.
Doch ist’s gar schwer, es recht zu machen;
Die Leute schämen sich zu lachen.
Mit Tugendsprüchen und großen Worten
Gefällt man wohl an allen Orten;
Denn da denkt jeder für sich allein:
So ein Mann magst du auch wohl sein!
Doch wenn wir droben sprächen und täten,
Wie sie gewöhnlich tun und reden,
Da rief’
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