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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Schlichtung des alten Streits und daß da kein definitiver Sieg zu erwarten sei. Ein solches Bewußtsein übt immer einen dämpfenden Einfluß, und alles Brillantfeuer des Geistes konnte auch hier die innere Trauer über die Fruchtlosigkeit aller Anstrengungen keineswegs verbergen. Selbst bei den Gegnern haben Cousins Reden einen ehrenden Eindruck hervorgebracht, und die Feindschaft, die sie ihm widmen, ist ebenfalls eine Anerkennung. Den Villemain verachten sie, den Cousin aber fürchten sie. Sie fürchten ihn nicht wegen seiner Gesinnung, nicht wegen seines Charakters, nicht wegen seiner individuellen Vorzüge oder Fehler, sondern sie fürchten in ihm die deutsche Philosophie. Du lieber Himmel! man erzeigt hier unserer deutschen Philosophie und unserm Cousin allzu große Ehre. Obgleich letzterer ein geborner Dialektiker ist, obgleich er zugleich für Form die größte Begabnis besitzt, obgleich er bei seiner philosophischen Spezialität auch noch von großem Kunstsinn unterstützt wird, so ist er doch noch sehr weit davon entfernt, die deutsche Philosophie so gründlich tief in ihrem Wesen zu erfassen, daß er ihre Systeme in einer klaren, allgemein verständlichen Sprache formulieren könnte, wie es nötig wäre für Franzosen, die nicht wie wir die Geduld besitzen, ein abstraktes Idiom zu studieren. Was sich aber nicht in gutem Französisch sagen läßt, ist nicht gefährlich für Frankreich. Die Sektion der sciences morales et politiques der französischen Akademie hat bekanntlich eine Darstellung der deutschen Philosophie seit Kant zu einer Preisfrage gewählt, und Cousin, der hier als Hauptdirigent zu betrachten ist, suchte vielleicht fremde Kräfte, wo seine eignen nicht ausreichten. Aber auch andere haben die Aufgabe nicht gelöst, und in der jüngsten feierlichen Sitzung der Akademie ward uns angekündigt, daß auch dies Jahr keine Preisschrift über die deutsche Philosophie gekrönt werden könne.
Gefängnisreform und Strafgesetzgebung
    Paris, Juli 1843
    Nachdem der Gesetzvorschlag über die Gefängnisreform während vier Wochen in der Deputiertenkammer debattiert worden, ist derselbe endlich mit sehr unwesentlichen Abänderungen und durch eine bedeutende Majorität angenommen worden. Damit wir es gleich von vornherein sagen, nur der Minister des Innern, der eigentliche Schöpfer jenes Gesetzvorschlags, war der einzige, der mit festen Füßen auf der Höhe der Frage stand, der bestimmt wußte, was er wollte, und einen Triumph der Überlegenheit feierte. Dem Rapporteur, Herrn von Tocqueville, gebührt das Lob, daß er mit Festigkeit seine Gedanken durchfocht; er ist ein Mann von Kopf, der wenig Herz hat und bis zum Gefrierpunkt die Argumente seiner Logik verfolgt; auch haben seine Reden einen gewissen frostigen Glanz, wie geschnittenes Eis. Was Herrn Tocqueville jedoch an Gemüt fehlt, das hat sein Freund, M. de Beaumont, in liebreichster Fülle, und diese beiden Unzertrennlichen, die wir immer gepaart sehen, auf ihren Reisen, in ihren Publikationen, in der Deputiertenkammer, ergänzen sich aufs beste. Der eine, der scharfe Denker, und der andere, der milde Gemütsmensch, gehören beisammen, wie das Essigfläschchen und das Ölfläschchen. – – Aber die Opposition, wie vage, wie gehaltlos, wie schwach, wie ohnmächtig zeigte sie sich bei dieser Gelegenheit! Sie wußte nicht, was sie wollte, sie mußte das Bedürfnis der Reform eingestehen, konnte nichts Positives vorschlagen, war beständig im Widerspruch mit sich selber und opponierte hier, wie gewöhnlich, aus blöder Gewohnheit des Oppositionsmetiers. Und dennoch würde sie, um letzterm zu genügen, leichtes Spiel gehabt haben, wenn sie sich auf das hohe Pferd der Idee gesetzt hätte, auf irgendeine generöse Rosinante der Theorienwelt, statt auf ebener Erde den zufälligen Lücken und Schwächen des ministeriellen Systems nachzukriechen und im Detail zu schikanieren, ohne das Ganze erschüttern zu können. Nicht einmal unser unvergleichlicher Don Alphonso de la Martine, der ingeniose Junker, zeigte sich hier in seiner idealen Ritterlichkeit. Und doch war die Gelegenheit günstig, und er hätte hier die höchsten und wichtigsten Menschheitsfragen besprechen können, mit olymperschütternden Worten; er konnte hier feuerspeiende Berge reden und mit einem Ozean von Weltuntergangspoesie die Kammer überschwemmen. Aber nein, der edle Hidalgo war hier ganz entblößt von seinem schönen Wahnsinn und sprach so vernünftig wie die nüchternsten seiner

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