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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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antiabsolutistische Klänge im »Don Quixote«. Kritiker, welche dergleichen darin wittern, sind offenbar im Irrtum. Cervantes war der Sohn einer Schule, welche den unbedingten Gehorsam für den Oberherrn sogar poetisch idealisiert hatte. Und dieser Oberherr war König von Spanien zu einer Zeit, wo die Majestät desselben die ganze Welt überstrahlte. Der gemeine Soldat fühlte sich im Lichtstrahl jener Majestät und opferte gern seine individuelle Freiheit für solche Befriedigung des kastilianischen Nationalstolzes.
    Die politische Größe Spaniens zu jener Zeit mochte nicht wenig das Gemüt seiner Schriftsteller erhöhen und erweitern. Auch im Geiste eines spanischen Dichters ging die Sonne nicht unter, wie im Reiche Karls V. Die wilden Kämpfe mit den Morisken waren beendigt, und wie nach einem Gewitter die Blumen am stärksten duften, so erblüht die Poesie immer am herrlichsten nach einem Bürgerkrieg. Dieselbe Erscheinung sehen wir in England zur Zeit der Elisabeth, und gleichzeitig mit Spanien entsprang dort eine Dichterschule, die zu merkwürdigen Vergleichungen auffordert. Dort sehen wir Shakespeare, hier Cervantes als die Blüte der Schule.
    Wie die spanischen Dichter unter den drei Philippen, so haben auch die englischen unter der Elisabeth eine gewisse Familienähnlichkeit, und weder Shakespeare noch Cervantes können auf Originalität in unserem Sinne Anspruch machen. Sie unterscheiden sich von ihren Zeitgenossen keineswegs durch besonderes Fühlen und Denken oder besondere Darstellungsart, sondern nur durch bedeutendere Tiefe, Innigkeit, Zärte und Kraft; ihre Dichtungen sind mehr durchdrungen und umflossen vom Äther der Poesie.
    Aber beide Dichter sind nicht bloß die Blüte ihrer Zeit, sondern sie waren auch die Wurzel der Zukunft. Wie Shakespeare durch den Einfluß seiner Werke, namentlich auf Deutschland und das heutige Frankreich, als der Stifter der späteren dramatischen Kunst zu betrachten ist, so müssen wir im Cervantes den Stifter des modernen Romans verehren. Hierüber erlaube ich mir einige flüchtige Bemerkungen.
    Der ältere Roman, der sogenannte Ritterroman, entsprang aus der Poesie des Mittelalters; er war zuerst eine prosaische Bearbeitung jener epischen Gedichte, deren Helden zum Sagenkreise Karls des Großen und des heiligen Grals gehörten; immer bestand der Stoff aus ritterlichen Abenteuern. Es war der Roman des Adels, und die Personen, die darin agierten, waren entweder fabelhafte Phantasiegebilde oder Reiter mit goldenen Sporen; nirgends eine Spur von Volk. Diese Ritterromane, die in der absurdesten Weise ausarteten, stürzte Cervantes durch seinen »Don Quixote«. Aber indem er eine Satire schrieb, die den älteren Roman zugrunde richtete, lieferte er selber wieder das Vorbild zu einer neuen Dichtungsart, die wir den modernen Roman nennen. So pflegen immer große Poeten zu verfahren: sie begründen zugleich etwas Neues, indem sie das Alte zerstören; sie negieren nie, ohne etwas zu bejahen. Cervantes stiftete den modernen Roman, indem er in den Ritterroman die getreue Schilderung der niederen Klassen einführte, indem er ihm das Volksleben beimischte. Die Neigung, das Treiben des gemeinsten Pöbels, des verworfensten Lumpenpacks zu beschreiben, gehört nicht bloß dem Cervantes, sondern der ganzen literarischen Zeitgenossenschaft, und sie findet sich wie bei den Poeten so auch bei den Malern des damaligen Spanien; ein Murillo, der dem Himmel die heiligsten Farben stahl, womit er seine schönen Madonnen malte, konterfeite mit derselben Liebe auch die schmutzigsten Erscheinungen dieser Erde. Es war vielleicht die Begeisterung für die Kunst selber, wenn diese edeln Spanier manchmal an der treuen Abbildung eines Betteljungen, der sich laust, dasselbe Vergnügen empfanden wie an der Darstellung der hochgebenedeiten Jungfrau. Oder es war der Reiz des Kontrastes, welcher eben die vornehmsten Edelleute, einen geschniegelten Hofmann wie Quevedo oder einen mächtigen Minister wie Mendoza, antrieb, ihre zerlumpten Bettler- und Gaunerromane zu schreiben; sie wollten sich vielleicht aus der Eintönigkeit ihrer Standesumgebung durch die Phantasie in eine entgegengesetzte Lebenssphäre versetzen, wie wir dasselbe Bedürfnis bei manchen deutschen Schriftstellern finden, die ihre Romane nur mit Schilderungen der vornehmen Welt füllen und ihre Helden immer zu Grafen und Baronen machen. Bei Cervantes finden wir noch nicht diese einseitige Richtung, das Unedle ganz abgesondert darzustellen; er

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