Sämtliche Werke
lachen, daß der heldenmütige Verleger der Börneschen Schriften jetzt sogar meine harmlosen Liebeslieder zur Zensur gibt… Aber meine gute Laune schwand, als ich, der ich nichts von Geographie verstehe, mich bei einem ehemaligen deutschen Lohnkutscher näher erkundigte und den Bescheid empfing: Darmstadt und Gießen, das sei wie Speck und Schweinefleisch, da sei kein Unterschied, ein Torzettel aus Darmstadt gelte auch in Gießen, und der Gießener Gassenvogt sei ein leiblicher Vetter des Herrn Zollinspektors zu Darmstadt. Ich ward daher nicht sonderlich überrascht, als ich nach mehreren Monaten von Ihnen den Klagebrief erhielt, man habe wieder Sie an der Nase herumgeführt und das Imprimatur verweigert. Da ich zu diesem Buche eine Nachrede geschrieben, die, polemischen Inhalts, durch solche Druckverzögerung das Interesse der Aktualität schon ein bißchen eingebüßt hatte, gab ich gern Ihrem Vorschlage Gehör, diese Nachrede in einem »Jahrbuch der Literatur«, welches Sie im Oktober auszugeben versprachen, gleich abdrucken zu lassen. Leider besitze ich den hier erwähnten Brief nur zum Teil, da ich mich bei Empfang desselben in der Bretagne befand und eine Stelle des Briefes, welche Herrn D. betraf, ausschnitt und demselben nach Paris zuschickte; es befindet sich daher im Briefe eine Lücke, was mir sehr leid ist; denn ich möchte gern die Originalworte anführen, womit Sie mir den treuesten Abdruck meiner Nachrede versprachen und mir zugleich über Herrn Gutzkow ein sehr naives Geständnis machten. Der Brief ist vom 9. August 1838, und folgende Worte haben sich darin erhalten:
»Mit Gutzkow habe ich heute abend ein Unternehmen ausgeheckt, das für die Interessen der Literatur von Wichtigkeit sein wird; nämlich ein ›Jahrbuch der
Literatur‹
, das im Oktober dieses Jahrs ausgegeben werden soll und künftig alle Jahre folgen wird. Wir haben Journale, Monats- und Quartalschriften genug – Was diese sich erlauben, wissen die zur Fahne Gehörenden zur Gnüge. Das Jahrbuch soll in letzter Instanz entscheiden, die Akten mustern. Ihre Nachrede würde hierin ganz am richtigen Platze sich befinden. Gutzkow trug mir auf, das Ihnen zu sagen. Rosenkranz, Jung, König, Riedel, Daumer, Schücking, Dingelstedt etc. geben Beiträge. Die übersichtlichen Artikel von 1830 an gibt Gutzkow. Der sogenannten jungen Literatur wird Nutzen daraus werden. Wienbarg wird was geben. Ihren Aufsatz hätte Gutzkow dafür gar gern. Oder wollen Sie einen andern geben? Falls Sie den Nachtrag gedruckt wissen wollen…«
Bei diesen Worten beginnt die erwähnte Lücke. Ich erhielt zu gleicher Zeit Brief von Herren Gutzkow, worin er sich mir freundlich und liebevoll nahte, was er wahrlich guten Fuges tun konnte, da ich schon frühzeitig in meinen Schriften seinen Genius mit gehöriger Würdigung begrüße hatte und ich auch späterhin, in bedrängtester Zeit, als die Genossen ihn gleichsam im Wettlauf desavouierten, unumwunden meine Sympathie für ihn aussprach. Sie wissen, wie ich sein Vertrauen ehrte, und sehr gern überließ ich dem »Jahrbuch der Literatur« die erwähnte Nachrede, für welche Herr Gutzkow mir den Titel »Schwabenspiegel« vorschlug.
Sie können sich nun leicht eine Vorstellung davon machen, wie schmerzlich, widerwärtig schmerzlich mein Gemüt berührt wurde, als nach solchen Vorgängen Ende Dezember das »Jahrbuch der Literatur« mir zu Händen kam und ich meine arme Nachrede, die jetzt einen prätentiösen Titel trug, so gründlich verstümmelt fand, daß ich nicht nur um meine Genugtuung an den darin besprochenen Personnagen geprellt schien, sondern daß, durch Verfälschung der Beiwörter, Ausmerzung der Übergänge und sonstige Entstellung der Form, auch mein artistisches Ansehen bloßgestellt worden. Das hat wahrlich kein Zensor getan, denn auch nicht eine Silbe war in dem Aufsatz, die nach Politik oder Staatsreligion roch, und wenn ich ihn später in seiner ursprünglichen Gestalt abdrucke, wird jedem einleuchten, daß die schäbigen Finger, die hier ihr dunkles Werk vollbracht, zugleich die Spur ihrer Absichten zurückgelassen haben. Sie sind unschuldig daran, liebster Campe, ich bin davon überzeugt; denn als ich Ihnen über diesen Frevel gleich schrieb, antworteten Sie mir mit Verwunderung, und aus Ihrem Briefe vom 25. Dezember 1838 will ich nur die Worte anführen:
»– – Mir schien es auch, daß etwas fehlte; ich verlangte daher das Manuskript zur Vergleichung, wie Sie aus dem Fragmente des Briefes vom
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