Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
Vom Netzwerk:
ich zu meiner Frau Mutter kam,
    Erschrak sie fast vor Freude;
    Sie rief: »Mein liebes Kind!« und schlug
    Zusammen die Hände beide.
    »Mein liebes Kind, wohl dreizehn Jahr’
    Verflossen unterdessen!
    Du wirst gewiß sehr hungrig sein –
    Sag an, was willst du essen?
    Ich habe Fisch und Gänsefleisch
    Und schöne Apfelsinen.«
    »So gib mir Fisch und Gänsefleisch
    Und schöne Apfelsinen.«
    Und als ich aß mit großem App’tit,
    Die Mutter ward glücklich und munter,
    Sie frug wohl dies, sie frug wohl das,
    Verfängliche Fragen mitunter.
    »Mein liebes Kind! und wirst du auch
    Recht sorgsam gepflegt in der Fremde?
    Versteht deine Frau die Haushaltung,
    Und flickt sie dir Strümpfe und Hemde?«
    »Der Fisch ist gut, lieb Mütterlein,
    Doch muß man ihn schweigend verzehren;
    Man kriegt so leicht eine Grät’ in den Hals,
    Du darfst mich jetzt nicht stören.«
    Und als ich den braven Fisch verzehrt,
    Die Gans ward aufgetragen.
    Die Mutter frug wieder wohl dies, wohl das,
    Mitunter verfängliche Fragen.
    »Mein liebes Kind! in welchem Land
    Läßt sich am besten leben?
    Hier oder in Frankreich? und welchem Volk
    Wirst du den Vorzug geben?«
    »Die deutsche Gans, lieb Mütterlein,
    Ist gut, jedoch die Franzosen,
    Sie stopfen die Gänse besser als wir,
    Auch haben sie bessere Saucen.« –
    Und als die Gans sich wieder empfahl,
    Da machten ihre Aufwartung
    Die Apfelsinen, sie schmeckten so süß,
    Ganz über alle Erwartung.
    Die Mutter aber fing wieder an
    Zu fragen sehr vergnüglich,
    Nach tausend Dingen, mitunter sogar
    Nach Dingen, die sehr anzüglich.
    »Mein liebes Kind! Wie denkst du jetzt?
    Treibst du noch immer aus Neigung
    Die Politik? Zu welcher Partei
    Gehörst du mit Überzeugung?«
    »Die Apfelsinen, lieb Mütterlein,
    Sind gut, und mit wahrem Vergnügen
    Verschlucke ich den süßen Saft,
    Und ich lasse die Schalen liegen.«
    Caput XXI
    Die Stadt, zur Hälfte abgebrannt,
    Wird aufgebaut allmählich;
    Wie’n Pudel, der halb geschoren ist,
    Sieht Hamburg aus, trübselig.
    Gar manche Gassen fehlen mir,
    Die ich nur ungern vermisse –
    Wo ist das Haus, wo ich geküßt
    Der Liebe erste Küsse?
    Wo ist die Druckerei, wo ich
    Die »Reisebilder« druckte?
    Wo ist der Austerkeller, wo ich
    Die ersten Austern schluckte?
    Und der Dreckwall, wo ist der Dreckwall hin?
    Ich kann ihn vergeblich suchen!
    Wo ist der Pavillon, wo ich
    Gegessen so manchen Kuchen?
    Wo ist das Rathaus, worin der Senat
    Und die Bürgerschaft gethronet?
    Ein Raub der Flammen! Die Flamme hat
    Das Heiligste nicht verschonet.
    Die Leute seufzten noch vor Angst,
    Und mit wehmüt’gem Gesichte
    Erzählten sie mir vom großen Brand
    Die schreckliche Geschichte:
    »Es brannte an allen Ecken zugleich,
    Man sah nur Rauch und Flammen!
    Die Kirchentürme loderten auf
    Und stürzten krachend zusammen.
    Die alte Börse ist verbrannt,
    Wo unsere Väter gewandelt,
    Und miteinander jahrhundertelang
    So redlich als möglich gehandelt.
    Die Bank, die silberne Seele der Stadt,
    Und die Bücher, wo eingeschrieben
    Jedweden Mannes Banko-Wert,
    Gottlob! sie sind uns geblieben!
    Gottlob! man kollektierte für uns
    Selbst bei den fernsten Nationen –
    Ein gutes Geschäft – die Kollekte betrug
    Wohl an die acht Millionen.
    Aus allen Ländern floß das Geld
    In unsre offnen Hände,
    Auch Viktualien nahmen wir an,
    Verschmähten keine Spende.
    Man schickte uns Kleider und Betten genug,
    Auch Brot und Fleisch und Suppen!
    Der König von Preußen wollte sogar
    Uns schicken seine Truppen.
    Der materielle Schaden ward
    Vergütet, das ließ sich schätzen –
    Jedoch den Schrecken, unseren Schreck,
    Den kann uns niemand ersetzen!«
    Aufmunternd sprach ich: »Ihr lieben Leut’,
    Ihr müßt nicht jammern und flennen;
    Troja war eine bessere Stadt,
    Und mußte doch verbrennen.
    Baut eure Häuser wieder auf
    Und trocknet eure Pfützen,
    Und schafft euch beßre Gesetze an
    Und beßre Feuerspritzen.
    Gießt nicht zuviel Cayenne-Piment
    In eure Mockturtlesuppen,
    Auch eure Karpfen sind euch nicht gesund,
    Ihr kocht sie so fett mit den Schuppen.
    Kalkuten schaden euch nicht viel,
    Doch hütet euch vor der Tücke
    Des Vogels, der sein Ei gelegt
    In des Bürgermeisters Perücke. – –
    Wer dieser fatale Vogel ist,
    Ich brauch es euch nicht zu sagen –
    Denk ich an ihn, so dreht sich herum
    Das Essen in meinem Magen.«
    Caput XXII
    Noch mehr verändert als die Stadt
    Sind mir die Menschen erschienen,
    Sie gehn so betrübt und gebrochen herum,
    Wie wandelnde Ruinen.
    Die

Weitere Kostenlose Bücher