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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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und Wasser schleppen.
    Mit seinem wackelnd greisen Kopf
    Keucht er herauf die Treppen.
    Wenn mich der Fritz besucht, so kann
    Er nicht den Spaß sich versagen,
    Den drollig schlotternd langen Mann
    Zu nergeln und zu plagen.
    »Laß ab mit Spöttelei’n, o Fritz!
    Es ziemt Germanias Söhnen
    Wohl nimmermehr, mit schlechtem Witz
    Gefallene Größe zu höhnen.
    Du solltest mit Pietät, mich deucht,
    Behandeln solche Leute;
    Der Alte ist dein Vater vielleicht
    Von mütterlicher Seite.«
    8.
Entartung
    Hat die Natur sich auch verschlechtert,
    Und nimmt sie Menschenfehler an?
    Mich dünkt, die Pflanzen und die Tiere,
    Sie lügen jetzt wie jedermann.
    Ich glaub nicht an der Lilie Keuschheit,
    Es buhlt mit ihr der bunte Geck,
    Der Schmetterling; er küßt und flattert
    Am End’ mit ihrer Unschuld weg.
    Von der Bescheidenheit der Veilchen
    Halt ich nicht viel. Die kleine Blum’,
    Mit den koketten Düften lockt sie,
    Und heimlich dürstet sie nach Ruhm.
    Ich zweifle auch, ob sie empfindet,
    Die Nachtigall, das, was sie singt;
    Sie übertreibt und schluchzt und trillert
    Nur aus Routine, wie mich dünkt.
    Die Wahrheit schwindet von der Erde,
    Auch mit der Treu’ ist es vorbei.
    Die Hunde wedeln noch und stinken
    Wie sonst, doch sind sie nicht mehr treu.
    9.
Heinrich
    Auf dem Schloßhof zu Canossa
    Steht der deutsche Kaiser Heinrich,
    Barfuß und im Büßerhemde,
    Und die Nacht ist kalt und regnicht.
    Droben aus dem Fenster lugen
    Zwo Gestalten, und der Mondschein
    Überflimmert Gregors Kahlkopf
    Und die Brüste der Mathildis.
    Heinrich, mit den blassen Lippen,
    Murmelt fromme Paternoster;
    Doch im tiefen Kaiserherzen
    Heimlich knirscht er, heimlich spricht er:
    »Fern in meinen deutschen Landen
    Heben sich die starken Berge,
    Und im stillen Bergesschachte
    Wächst das Eisen für die Streitaxt.
    Fern in meinen deutschen Landen
    Heben sich die Eichenwälder,
    Und im Stamm der höchsten Eiche
    Wächst der Holzstiel für die Streitaxt.
    Du, mein liebes treues Deutschland,
    Du wirst auch den Mann gebären,
    Der die Schlange meiner Qualen
    Niederschmettert mit der Streitaxt.«
    10.
Lebensfahrt
    Ein Lachen und Singen! Es blitzen und gaukeln
    Die Sonnenlichter. Die Wellen schaukeln
    Den lustigen Kahn. Ich saß darin
    Mit lieben Freunden und leichtem Sinn.
    Der Kahn zerbrach in eitel Trümmer,
    Die Freunde waren schlechte Schwimmer,
    Sie gingen unter, im Vaterland;
    Mich warf der Sturm an den Seinestrand.
    Ich hab ein neues Schiff bestiegen,
    Mit neuen Genossen; es wogen und wiegen
    Die fremden Fluten mich hin und her –
    Wie fern die Heimat! mein Herz wie schwer!
    Und das ist wieder ein Singen und Lachen –
    Es pfeift der Wind, die Planken krachen –
    Am Himmel erlischt der letzte Stern –
    Wie schwer mein Herz! die Heimat wie fern!
    11.
Das neue israelitische Hospital zu Hamburg
    Ein Hospital für arme, kranke Juden,
    Für Menschenkinder, welche dreifach elend,
    Behaftet mit den bösen drei Gebresten,
    Mit Armut, Körperschmerz und Judentume!
    Das schlimmste von den dreien ist das letzte,
    Das tausendjährige Familienübel,
    Die aus dem Niltal mitgeschleppte Plage,
    Der altägyptisch ungesunde Glauben.
    Unheilbar tiefes Leid! Dagegen helfen
    Nicht Dampfbad, Dusche, nicht die Apparate
    Der Chirurgie, noch all die Arzeneien,
    Die dieses Haus den siechen Gästen bietet.
    Wird einst die Zeit, die ew’ge Göttin, tilgen
    Das dunkle Weh, das sich vererbt vom Vater
    Herunter auf den Sohn – wird einst der Enkel
    Genesen und vernünftig sein und glücklich?
    Ich weiß es nicht! Doch mittlerweile wollen
    Wir preisen jenes Herz, das klug und liebreich
    Zu lindern suchte, was der Lindrung fähig,
    Zeitlichen Balsam träufelnd in die Wunden.
    Der teure Mann! Er baute hier ein Obdach
    Für Leiden, welche heilbar durch die Künste
    Des Arztes (oder auch des Todes!), sorgte
    Für Polster, Labetrank, Wartung und Pflege –
    Ein Mann der Tat, tat er, was eben tunlich;
    Für gute Werke gab er hin den Taglohn
    Am Abend seines Lebens, menschenfreundlich,
    Durch Wohltun sich erholend von der Arbeit.
    Er gab mit reicher Hand – doch reichre Spende
    Entrollte manchmal seinem Aug’, die Träne,
    Die kostbar schöne Träne, die er weinte
    Ob der unheilbar großen Brüderkrankheit.
    12.
Georg Herwegh
    Mein Deutschland trank sich einen Zopf,
    Und du, du glaubtest den Toasten!
    Du glaubtest jedem Pfeifenkopf
    Und seinen schwarzrotgoldnen Quasten.
    Doch als der holde Rausch entwich,
    Mein teurer Freund, du warst betroffen –
    Das Volk wie

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