Sämtliche Werke
Degenstücke gedichtet wurden, man denke an Molière, welcher unter Ludwig XIV. schrieb; sogar China besitzt vortreffliche Lustspiele… Nein, nicht der politische Zustand bedingt die Entwicklung des Lustspiels bei einem Volke, und ich würde dieses ausführlich beweisen, geriete ich nicht dadurch in ein Gebiet, von welchem ich mich gern entfernt halte. Ja, liebster Freund, ich hege eine wahre Scheu vor der Politik, und jedem politischen Gedanken gehe ich auf zehn Schritte aus dem Wege, wie einem tollen Hunde. Wenn mir in meinem Ideengange unversehens ein politischer Gedanke begegnet, bete ich schnell den Spruch…
Kennen Sie, liebster Freund, den Spruch, den man schnell vor sich hin spricht, wenn man einem tollen Hunde begegnet? Ich erinnere mich desselben noch aus meinen Knabenjahren, und ich lernte ihn damals von dem alten Kaplan Asthöver. Wenn wir spazierengingen und eines Hundes ansichtig wurden, der den Schwanz ein bißchen zweideutig eingekniffen trug, beteten wir geschwind: »O Hund, du Hund – Du bist nicht gesund – Du bist vermaledeit – In Ewigkeit – Vor deinem Biß – Behüte mich mein Herr und Heiland Jesu Christ, Amen!«
Wie vor der Politik, hege ich jetzt auch eine grenzenlose Furcht vor der Theologie, die mir ebenfalls nichts als Verdruß eingetränkt hat. Ich lasse mich vom Satan nicht mehr verführen, ich enthalte mich selbst alles Nachdenkens über das Christentum und bin kein Narr mehr, daß ich Hengstenberg und Konsorten zum Lebensgenuß bekehren wollte; mögen diese Unglücklichen bis an ihr Lebensende nur Disteln statt Ananas fressen und ihr Fleisch kasteien; tant mieux, ich selber möchte ihnen die Ruten dazu liefern. Die Theologie hat mich ins Unglück gebracht; Sie wissen, durch welches Mißverständnis. Sie wissen, wie ich vom Bundestag, ohne daß ich drum nachgesucht hätte, beim Jungen Deutschland angestellt wurde und wie ich bis auf heutigen Tag vergebens um meine Entlassung gebeten habe. Vergebens schreibe ich die demütigsten Bittschriften, vergebens behaupte ich, daß ich an alle meine religiösen Irrtümer gar nicht mehr glaube… nichts will fruchten! Ich verlange wahrhaftig keinen Groschen Pension, aber ich möchte gern in Ruhestand gesetzt werden. Liebster Freund, Sie tun mir wirklich einen Gefallen, wenn Sie mich in Ihrem Journale gelegentlich des Obskurantismus und Servilismus beschuldigen wollten; das kann mir nützen. Von meinen Feinden brauche ich einen solchen Liebesdienst nicht besonders zu erbitten, sie verleumden mich mit der größten Zuvorkommenheit.
… Ich bemerkte zuletzt, daß die Franzosen, bei denen das Lustspiel mehr als bei uns gedeiht, nicht eben ihrer politischen Freiheit diesen Vorteil beizumessen haben; es ist mir vielleicht erlaubt, etwas ausführlicher zu zeigen, wie es vielmehr der soziale Zustand ist, dem die Lustspieldichter in Frankreich ihre Suprematie verdanken.
Selten behandelt der französische Lustspieldichter das öffentliche Treiben des Volkes als Hauptstoff, er pflegt nur einzelne Momente desselben zu benutzen; auf diesem Boden pflückt er nur hie und da einige närrische Blumen, womit er den Spiegel umkränzt, aus dessen ironisch geschliffenen Facetten uns das häusliche Treiben der Franzosen entgegenlacht. Eine größere Ausbeute findet der Lustspieldichter in den Kontrasten, die manche alte Institution mit den heutigen Sitten und manche heutige Sitte mit der geheimen Denkweise des Volkes bildet, und endlich gar besonders ergiebig sind für ihn die Gegensätze, die so ergötzlich zum Vorschein kommen, wenn der edle Enthusiasmus, der bei den Franzosen so leicht auflodert und ebenfalls leicht erlischt, mit den positiven, industriellen Tendenzen des Tages in Kollision gerät. Wir stehen hier auf einem Boden, wo die große Despotin, die Revolution, seit fünfzig Jahren ihre Willkürherrschaft ausgeübt, hier niederreißend, dort schonend, aber überall rüttelnd an den Fundamenten des gesellschaftlichen Lebens: – und diese Gleichheitswut, die nicht das Niedrige erheben, sondern nur die Erhabenheiten abflachen konnte; dieser Zwist der Gegenwart mit der Vergangenheit, die sich wechselseitig verhöhnen, der Zank eines Wahnsinnigen mit einem Gespenste; dieser Umsturz aller Autoritäten, der geistigen sowohl als der materiellen; dieses Stolpern über die letzten Trümmer derselben; und dieser Blödsinn in ungeheuren Schicksalstunden, wo die Notwendigkeit einer Autorität fühlbar wird und wo der Zerstörer vor seinem eignen Werke
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