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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Etikette.
    Nur Maria de Padilla
    Brach das allgemeine Schweigen;
    Händeringend, laut aufschluchzend,
    Jammerte sie ahndungsvoll:
    ›Heißen wird es jetzt, ich hätte
    Angestiftet solche Mordtat,
    Und der Groll trifft meine Kinder,
    Meine schuldlos armen Kinder!‹«
    Don Diego unterbrach hier
    Seine Rede, denn wir sahen,
    Daß die Tafel aufgehoben
    Und der Hof den Saal verlassen.
    Höfisch fein von Sitten, gab
    Mir der Ritter das Geleite,
    Und wir wandelten selbander
    Durch das alte Gotenschloß.
    In dem Kreuzgang, welcher leitet
    Nach des Königs Hundeställen,
    Die durch Knurren und Gekläffe
    Schon von fernher sich verkünd’gen,
    Dorten sah ich, in der Wand
    Eingemauert und nach außen
    Fest mit Eisenwerk vergattert,
    Eine Zelle wie ein Käfig.
    Menschliche Gestalten zwo
    Saßen drin, zwei junge Knaben;
    Angefesselt bei den Beinen,
    Hockten sie auf fauler Streu.
    Kaum zwölfjährig schien der eine,
    Wenig älter war der andre;
    Die Gesichter schön und edel,
    Aber fahl und welk von Siechtum.
    Waren ganz zerlumpt, fast nackend,
    Und die magern Leibchen trugen
    Wunde Spuren der Mißhandlung;
    Beide schüttelte das Fieber.
    Aus der Tiefe ihres Elends
    Schauten sie zu mir empor,
    Wie mit weißen Geisteraugen,
    Daß ich schier darob erschrocken.
    »Wer sind diese Jammerbilder?«
    Rief ich aus, indem ich hastig
    Don Diegos Hand ergriff,
    Die gezittert, wie ich fühlte.
    Don Diego schien verlegen,
    Sah sich um, ob niemand lausche,
    Seufzte tief und sprach am Ende,
    Heitern Weltmannston erkünstelnd:
    »Dieses sind zwei Königskinder,
    Früh verwaiset, König Pedro
    Hieß der Vater, und die Mutter
    War Maria de Padilla.
    Nach der großen Schlacht bei Narvas,
    Wo Henrico Transtamare
    Seinen Bruder, König Pedro,
    Von der großen Last der Krone
    Und zugleich von jener größern
    Last, die Leben heißt, befreite:
    Da traf auch die Bruderskinder
    Don Henricos Siegergroßmut.
    Hat sich ihrer angenommen,
    Wie es einem Oheim ziemet,
    Und im eignen Schlosse gab er
    Ihnen freie Kost und Wohnung.
    Enge freilich ist das Stübchen,
    Das er ihnen angewiesen,
    Doch im Sommer ist es kühlig,
    Und nicht gar zu kalt im Winter.
    Ihre Speis’ ist Roggenbrot,
    Das so schmackhaft ist, als hätt es
    Göttin Ceres selbst gebacken
    Für ihr liebes Proserpinchen.
    Manchmal schickt er ihnen auch
    Eine Kumpe mit Garbanzos,
    Und die Jungen merken dann,
    Daß es Sonntag ist in Spanien.
    Doch nicht immer ist es Sonntag,
    Und nicht immer gibt’s Garbanzos,
    Und der Oberkoppelmeister
    Regaliert sie mit der Peitsche.
    Denn der Oberkoppelmeister,
    Der die Ställe mit der Meute
    Sowie auch den Neffenkäfig
    Unter seiner Aufsicht hat,
    Ist der unglücksel’ge Gatte
    Jener sauren Zitronella
    Mit der weißen Tellerkrause,
    Die wir heut bei Tisch bewundert,
    Und sie keift so frech, daß oft
    Ihr Gemahl zur Peitsche greift –
    Und hierher eilt und die Hunde
    Und die armen Knaben züchtigt.
    Doch der König hat mißbilligt
    Solch Verfahren und befahl,
    Daß man künftig seine Neffen
    Nicht behandle wie die Hunde.
    Keiner fremden Mietlingsfaust
    Wird er ferner anvertrauen
    Ihre Zucht, die er hinfüro
    Eigenhändig leiten will.«
    Don Diego stockte plötzlich,
    Denn der Seneschall des Schlosses
    Kam zu uns und frug uns
    Höflich: ob wir wohlgespeist? – –
    Der Ex-Lebendige
    Brutus, wo ist dein Cassius,
    Der Wächter, der nächtliche Rufer,
    Der einst mit dir, im Seelenerguß,
    Gewandelt am Seineufer?
    Ihr schautet manchmal in die Höh’,
    Wo die dunklen Wolken jagen –
    Viel dunklere Wolke war die Idee,
    Die ihr im Herzen getragen.
    Brutus, wo ist dein Cassius?
    Er denkt nicht mehr ans Morden!
    Es heißt, er sei am Neckarfluß
    Tyrannenvorleser geworden.
    Doch Brutus erwidert: »Du bist ein Tor,
    Kurzsichtig wie alle Poeten –
    Mein Cassius liest dem Tyrannen vor,
    Jedoch um ihn zu töten.
    Er liest ihm Gedichte von Matzerath –
    Ein Dolch ist jede Zeile!
    Der arme Tyrann, früh oder spat
    Stirbt er vor Langeweile.«
    Der Ex-Nachtwächter
    Mißgelaunt, sagt man, verließ er
    Stuttgart an dem Neckarstrand,
    und zu München an der Isar
    Ward er Schauspielintendant.
    Das ist eine schöne Gegend
    Ebenfalls, es schäumet hier,
    Geist- und phantasieerregend,
    Holder Bock, das beste Bier.
    Doch der arme Intendante,
    Heißt es, gehet dort herum
    Melancholisch wie ein Dante,
    Wie Lord Byron gloomy, stumm.
    Ihn ergötzen nicht Komödien,
    Nicht das schlechteste Gedicht,
    Selbst die traurigsten Tragödien
    Liest er – doch er lächelt nicht.
    Manche Schöne

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