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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Charakteristische bei ihnen ist eine gewisse Zerstörungssucht, von welcher sie besessen sind, nicht bloß zum Schaden eines Galans, sondern auch zum Schaden desjenigen Mannes, den sie wirklich lieben, und zumeist zum Schaden ihrer eigenen Person. Diese Zerstörungssucht ist tief verwebt mit einer Sucht, einer Wut, einem Wahnsinn nach Genuß, dem augenblicklichsten Genuß, der keinen Tag Frist gestattet, an keinen Morgen denkt und aller Bedenklichkeiten überhaupt spottet. Sie erpressen dem Geliebten seinen letzten Sou, bringen ihn dahin, auch seine Zukunft zu verpfänden, um nur der Freude der Stunde zu genügen; sie treiben ihn dahin, selbst jene Ressourcen zu vergeuden, die ihnen selber zugute kommen dürften, sie sind manchmal sogar schuld, daß er seine Ehre eskomptiert – kurz, sie ruinieren den Geliebten in der grauenhaftesten Eile und mit einer schauerlichen Gründlichkeit. Montesquieu hat irgendwo in seinem »Esprit des lois« das Wesen des Despotismus dadurch zu charakterisieren gesucht, daß er die Despoten mit jenen Wilden verglich, die, wenn sie die Früchte eines Baumes genießen wollen, sogleich zur Axt greifen und den Baum selbst niederfällen und sich dann gemächlich neben dem Stamm niedersetzen und in genäschiger Hast die Früchte aufspeisen. Ich möchte diese Vergleichung auf die erwähnten Damen anwenden. Nach Shakespeare, der uns in der Kleopatra, die ich einst eine »reine entretenue« genannt habe, ein tiefsinniges Beispiel solcher Frauengestalten aufgezeichnet hat, ist gewiß unser Freund Honoré de Balzac derjenige, der sie mit der größten Treue geschildert. Er beschreibt sie, wie ein Naturforscher irgendeine Tierart oder ein Pathologe eine Krankheit beschreibt, ohne moralisierenden Zweck, ohne Vorliebe noch Abscheu. Es ist ihm gewiß nie eingefallen, solche Phänomena zu verschönern oder gar zu rehabilitieren, was die Kunst ebensosehr verböte als die Sittlichkeit.
Spätere Notiz
    1854
    Berichterstattungen über die erste Vorstellung eines Dramas, wo schon der gefeierte Name des Autors die Neugier reizt, müssen mit großer Eilfertigkeit abgefaßt und abgeschickt werden, damit nicht böswillige Mißurteile oder verunglimpfender Klatsch einen bedenklichen Vorsprung gewinnen. In den vorstehenden Blättern fehlt daher jede nähere Besprechung des Dichters oder vielmehr der Dichterin, die hier ihren ersten Bühnenversuch wagte; ein Versuch, der gänzlich mißglückte, so daß die Stirn, die an Lorbeerkränze gewöhnt, diesmal mit sehr fatalen Dornen gekrönt worden. Für die angedeutete Entbehrnis in obigem Berichte bieten wir heute einen notdürftigen Ersatz, indem wir aus einer vor etlichen Jahren geschriebenen Monographie etwelche Bemerkungen über die Person oder vielmehr die persönliche Erscheinung George Sands hier mitteilen. Sie lauten wie folgt:
    »Wie männiglich bekannt, ist George Sand ein Pseudonym, der nom de guerre einer schönen Amazone. Bei der Wahl dieses Namens leitete sie keineswegs die Erinnerung an den unglückseligen Sand, den Meuchelmörder Kotzebues, des einzigen Lustspieldichters der Deutschen. Unsere Heldin wählte jenen Namen, weil er die erste Silbe von Sandeau; so hieß nämlich ihr Liebhaber, der ein achtungswerter Schriftsteller, aber dennoch mit seinem ganzen Namen nicht so berühmt werden konnte wie seine Geliebte mit der Hälfte desselben, die sie lachend mitnahm, als sie ihn verließ. Der wirkliche Name von George Sand ist Aurora Dudevant, wie ihr legitimer Gatte geheißen, der kein Mythos ist, wie man glauben sollte, sondern ein leiblicher Edelmann aus der Provinz Berry, und den ich selbst einmal das Vergnügen hatte mit eigenen Augen zu sehen. Ich sah ihn sogar bei seiner damals schon de facto geschiedenen Gattin, in ihrer kleinen Wohnung auf dem Quai Voltaire, und daß ich ihn eben dort sah, war an und für sich eine Merkwürdigkeit, ob welcher, wie Chamisso sagen würde, ich selbst mich für Geld sehen lassen könnte. Er trug ein nichtssagendes Philistergesicht und schien weder böse noch roh zu sein, doch begriff ich sehr leicht, daß diese feuchtkühle Tagtäglichkeit, dieser porzellanhafte Blick, diese monotonen, chinesischen Pagodenbewegungen für ein banales Weibzimmer sehr amüsant sein konnten, jedoch einem tieferen Frauengemüte auf die Länge sehr unheimlich werden und dasselbe endlich mit Schauder und Entsetzen, bis zum Davonlaufen, erfüllen mußten.
    Der Familienname der Sand ist Dupin. Sie ist die Tochter eines Mannes von geringem

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