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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Schauspielkunst besitzen, widmen sich dem Theater und werden Akteure.«
    Ich habe selbst früher bemerkt, daß das öffentliche Leben in Frankreich, das Repräsentativsystem und das politische Treiben, die besten schauspielerischen Talente der Franzosen absorbiert und deshalb auf dem eigentlichen Theater nur die Mediokritäten zu finden sind. Dieses gilt aber nur von den Männern, nicht von den Weibern; die französische Bühne ist reich an Schauspielerinnen vom höchsten Wert, und die jetzige Generation überflügelt vielleicht die frühere. Große, außerordentliche Talente bewundern wir, die sich hier um so zahlreicher entfalten konnten, da die Frauen durch eine ungerechte Gesetzgebung, durch die Usurpation der Männer, von allen politischen Ämtern und Würden ausgeschlossen sind und ihre Fähigkeiten nicht auf den Brettern des Palais Bourbon und des Luxembourg geltend machen können. Ihrem Drang nach Öffentlichkeit stehen nur die öffentlichen Häuser der Kunst und der Galanterie offen, und sie werden entweder Aktricen oder Loretten oder auch beides zugleich, denn hier in Frankreich sind diese zwei Gewerbe nicht so streng geschieden wie bei uns in Deutschland, wo die Komödianten oft zu den reputierlichsten Personen gehören und nicht selten sich durch bürgerlich gute Aufführung auszeichnen: sie sind bei uns nicht durch die öffentliche Meinung wie Parias ausgestoßen aus der Gesellschaft, und sie finden vielmehr in den Häusern des Adels, in den Soireen toleranter jüdischer Bankiers und sogar in einigen honetten bürgerlichen Familien eine zuvorkommende Aufnahme. Hier in Frankreich im Gegenteil, wo so viele Vorurteile ausgerottet sind, ist das Anathema der Kirche noch immer wirksam in bezug auf die Schauspieler; sie werden noch immer als Verworfene betrachtet, und da die Menschen immer schlecht werden, wenn man sie schlecht behandelt, so bleiben mit wenigen Ausnahmen die Schauspieler hier im verjährten Zustande des glänzend schmutzigen Zigeunertums. Thalia und die Tugend schlafen hier selten in demselben Bette, und sogar unsere berühmteste Melpomene steigt manchmal von ihrem Kothurn herunter, um ihn mit den liederlichen Pantöffelchen einer Philine zu vertauschen.
    Alle schöne Schauspielerinnen haben hier ihren bestimmten Preis, und die, welche um keinen bestimmten Preis zu haben, sind gewiß die teuersten. Die meisten jungen Schauspielerinnen werden von Verschwendern oder reichen Parvenüs unterhalten. Die eigentlichen unterhaltenen Frauen, die sogenannten femmes entretenues, empfinden dagegen die gewaltigste Sucht, sich auf dem Theater zu zeigen, eine Sucht, worin Eitelkeit und Kalkül sich vereinigen, da sie dort am besten ihre Körperlichkeit zur Schau stellen, sich den vornehmen Lüstlingen bemerkbar machen und zugleich auch vom größern Publikum bewundern lassen können. Diese Personen, die man besonders auf den kleinen Theatern spielen sieht, erhalten gewöhnlich gar keine Gage, im Gegenteil, sie bezahlen noch monatlich den Direktoren eine bestimmte Summe für die Vergünstigung, daß sie auf ihrer Bühne sich produzieren können. Man weiß daher selten hier, wo die Aktrice und die Kurtisane ihre Rolle wechseln, wo die Komödie aufhört und die liebe Natur wieder anfängt, wo der fünffüßige Jambus in die vierfüßige Unzucht übergeht. Diese Amphibien von Kunst und Laster, diese Melusinen des Seinestrandes bilden gewiß den gefährlichsten Teil des galanten Paris, worin so viele holdselige Monstra ihr Wesen treiben. Wehe dem Unerfahrenen, der in ihre Netze gerät! Wehe auch dem Erfahrenen, der wohl weiß, daß das holde Ungetüm in einen häßlichen Fischschwanz endet, und dennoch der Bezauberung nicht zu widerstehen vermag und vielleicht eben durch die Wollust des innern Grauens, durch den fatalen Reiz des lieblichen Verderbens, des süßen Abgrunds, desto sicherer überwältigt wird!
    Die Weiber, von welchen hier die Rede, sind nicht böse oder falsch, sie sind sogar gewöhnlich von außerordentlicher Herzensgüte, sie sind nicht so betrüglich und so habsüchtig, wie man glaubt, sie sind mitunter vielmehr die treuherzigsten und großmütigsten Kreaturen; alle ihre unreinen Handlungen entstehen durch das momentane Bedürfnis, die Not und die Eitelkeit; sie sind überhaupt nicht schlechter als andere Töchter Evas, die von Kindheit auf durch Wohlhabenheit und überwachende Sippschaft oder durch die Gunst des Schicksals vor dem Fallen und dem noch tiefer Fallen geschützt werden. – Das

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