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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
Autoren: Heinrich von Kleist
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Schuld mich drückte,
Das Haupt dem Recht der Rache weigern würde?
     
    Jeronimus.
O du Quacksalber der Natur! Denkst du,
Ich werde dein verfälschtes Herz auf Treu
Und Glauben zweimal als ein echtes kaufen?
Bin ich ein blindes Glied denn aus dem Volke,
Daß du mit deinem Ausruf an der Ecke
Mich äffen willst, und wieder äffen willst?
– Doch nicht so vielen Atem bist du wert,
Als nur dies einzge Wort mir kostet: Schurke!
Ich will dich meiden, das ist wohl das Beste.
Denn hier in deiner Nähe stinkt es, wie
Bei Mördern.
     
    (Sylvester fällt in Ohnmacht.)
     
    Gertrude.    Hülfe! Kommt zu Hülfe! Hülfe!
     
    (Der Vorhang fällt.)
     

Zweiter Aufzug
     

Erste Szene
     
    Gegend im Gebirge. Im Vordergrunde eine Höhle. Agnes sitzt an der Erde und knüpft Kränze. Ottokar tritt auf, und betrachtet sie mit Wehmut. Dann wendet er sich mit einer schmerzvollen Bewegung, während welcher Agnes ihn wahrnimmt, welche dann zu knüpfen fortfährt, als hätte sie ihn nicht gesehen.
     
    Agnes.
‘s ist doch ein häßliches Geschäft: belauschen;
Und weil ein rein Gemüt es stets verschmäht,
So wird nur dieses grade stets belauscht.
Drum ist das Schlimmste noch, daß es den Lauscher,
Statt ihn zu strafen, lohnt. Denn statt des Bösen,
Das er verdiente zu entdecken, findet
Er wohl sogar ein still Bemühen noch
Für sein Bedürfnis, oder seine Laune.
Da ist, zum Beispiel, heimlich jetzt ein Jüngling
– Wie heißt er doch? Ich kenn ihn wohl. Sein Antlitz
Gleicht einem wilden Morgenungewitter,
Sein Aug dem Wetterleuchten auf den Höhn,
Sein Haar den Wolken, welche Blitze bergen,
Sein Nahen ist ein Wehen aus der Ferne,
Sein Reden wie ein Strömen von den Bergen
Und sein Umarmen – Aber still! Was wollt
Ich schon? ja, dieser Jüngling, wollt ich sagen,
Ist heimlich nun herangeschlichen, plötzlich,
Unangekündigt, wie die Sommersonne,
Will sie ein nächtlich Liebesfest belauschen.
Nun wär mirs recht, er hätte was er sucht,
Bei mir gefunden, und die Eifersucht,
Der Liebe Jugendstachel, hätte, selbst
Sich stumpfend, ihn hinaus gejagt ins Feld,
Gleich einem jungen Rosse, das zuletzt
Doch heimkehrt zu dem Stall, der ihn ernährt.
Statt dessen ist kein andrer Nebenbuhler
Jetzt grade um mich, als sein Geist. Und der
Singt mir sein Lied zur Zither vor, wofür
Ich diesen Kranz ihm winde. (Sie sieht sich um.) Fehlt dir was?
     
    Ottokar.
Jetzt nichts.
     
    Agnes.     So setz dich nieder, daß ich sehe,
Wie dir der Kranz steht. Ist er hübsch?
     
    Ottokar.     Recht hübsch.
     
    Agnes.
Wahrhaftig? Sieh einmal die Finger an.
     
    Ottokar.
Sie bluten. –
     
    Agnes.      Das bekam ich, als ich aus den Dornen
Die Blumen pflückte.
     
    Ottokar.       Armes Kind.
     
    Agnes.     Ein Weib
Scheut keine Mühe. Stundenlang hab ich
Gesonnen, wie ein jedes einzeln Blümchen
Zu stellen, wie das unscheinbarste selbst
Zu nutzen sei, damit Gestalt und Farbe
Des Ganzen seine Wirkung tue. – Nun,
Der Kranz ist ein vollendet Weib. Da, nimm
Ihn hin. Sprich: er gefällt mir; so ist er
Bezahlt. (Sie sieht sich wieder um.)
     Was fehlt dir denn?
(Sie steht auf; Ottokar faßt ihre Hand.)
    Du bist so seltsam,
So feierlich – bist unbegreiflich mir.
     
    Ottokar.
Und mir du.
     
    Agnes.      Liebst du mich, so sprich sogleich
Ein Wort, das mich beruhigt.
     
    Ottokar.    Erst sprich du.
Wie hast dus heute wagen können, heute,
Von deinem Vaterhaus dich zu entfernen?
     
    Agnes.
Von meinem Vaterhause? Kennst dus denn?
Hab ich nicht stets gewünscht, du möchtest es
Nicht zu erforschen streben?
     
    Ottokar.    O verzeih!
Nicht meine Schuld ists, daß ichs weiß.
     
    Agnes.       Du weißts?
     
    Ottokar.
Ich weiß es, fürchte nichts! Denn deinem Engel
Kannst du dich sichrer nicht vertraun, als mir.
Nun sage mir, wie konntest du es wagen,
So einsam dies Gebirge zu betreten,
Da doch ein mächtger Nachbar all die Deinen
In blutger Rachefehd verfolgt?
     
    Agnes.    In Fehde?
In meines Vaters Sälen liegt der Staub
Auf allen Rüstungen, und niemand ist
Uns feindlich, als der Marder höchstens, der
In unsre Hühnerställe bricht.
     
    Ottokar.    Wie sagst du?
Ihr wärt in Frieden mit den Nachbarn? Wärt
In Frieden mit euch selbst?
     
    Agnes.    Du hörst es, ja.
     
    Ottokar.
O Gott! Ich danke dir mein Leben nur
Um dieser Kunde! – Mädchen! Mädchen! O
Mein Gott, so brauch ich dich ja nicht zu morden!
     
    Agnes. Morden?
     
    Ottokar.
O komm! (Sie setzen sich.) Nun will ich heiter, offen, wahr,
Wie
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