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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich von Kleist
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meinen trüben Augen wieder. –
     
    Der Graf vom Strahl.
Was wars, das so urplötzlich Euch ergriff?
     
    Kunigunde.
Ach, mein großmütger Retter und Befreier,
Wie nenn ich das? Welch ein entsetzensvoller,
Unmenschlicher Frevel war mir zugedacht?
Denk ich, was ohne Euch, vielleicht schon jetzt,
Mir widerfuhr, hebt sich mein Haar empor,
Und meiner Glieder jegliches erstarrt.
     
    Der Graf vom Strahl.
Wer seid Ihr? Sprecht! Was ist Euch widerfahren?
     
    Kunigunde. O Seligkeit, Euch dies jetzt zu entdecken!
Die Tat, die Euer Arm vollbracht, ist keiner
Unwürdigen geschehen; Kunigunde,
Freifrau von Thurneck, bin ich, daß Ihrs wißt;
Das süße Leben, das Ihr mir erhieltet,
Wird, außer mir, in Thurneck, dankbar noch
Ein ganz Geschlecht Euch von Verwandten lohnen.
     
    Der Graf vom Strahl.
Ihr seid? – Es ist nicht möglich? Kunigunde
Von Thurneck? –
     
    Kunigunde.      Ja, so sagt ich! Was erstaunt Ihr?
     
    Der Graf vom Strahl (steht auf).
Nun denn, bei meinem Eid, es tut mir leid,
So kamt Ihr aus dem Regen in die Traufe:
Denn ich bin Friedrich Wetter Graf vom Strahl!
     
    Kunigunde.
Was! Euer Name? – Der Name meines Retters? –
     
    Der Graf vom Strahl.
Ist Friedrich Strahl, Ihr hörts. Es tut mir leid,
Daß ich Euch keinen bessern nennen kann.
     
    Kunigunde (steht auf).
Ihr Himmlischen! Wie prüft ihr dieses Herz?
     
    Gottschalk (heimlich).
Die Thurneck? hört ich recht?
     
    Flammberg (erstaunt).     Bei Gott! Sie ists!
     
    (Pause.)
     
    Kunigunde.
Es sei. Es soll mir das Gefühl, das hier
In diesem Busen sich entflammt, nicht stören.
Ich will nichts denken, fühlen will ich nichts,
Als Unschuld, Ehre, Leben, Rettung – Schutz
Vor diesem Wolf, der hier am Boden liegt. –
Komm her, du lieber, goldner Knabe, du,
Der mich befreit, nimm diesen Ring von mir,
Es ist jetzt alles, was ich geben kann:
Einst lohn ich würdiger, du junger Held,
Die Tat dir, die mein Band gelöst, die mutige,
Die mich vor Schmach bewahrt, die mich errettet,
Die Tat, die mich zur Seligen gemacht!
    (Sie wendet sich zum Grafen.)
Euch, mein Gebieter – Euer nenn ich alles,
Was mein ist! Sprecht! Was habt Ihr über mich beschlossen?
In Eurer Macht bin ich; was muß geschehn?
Muß ich nach Eurem Rittersitz Euch folgen?
     
    Der Graf vom Strahl (nicht ohne Verlegenheit).
Mein Fräulein – es ist nicht eben allzuweit.
Wenn Ihr ein Pferd besteigt, so könnt Ihr bei
Der Gräfin, meiner Mutter, übernachten.
     
    Kunigunde.
Führt mir das Pferd vor!
     
    Der Graf vom Strahl (nach einer Pause). Ihr vergebt mir,
Wenn die Verhältnisse, in welchen wir –
     
    Kunigunde.
Nichts, nichts! Ich bitt Euch sehr! Beschämt mich nicht!
In Eure Kerker klaglos würd ich wandern.
     
    Der Graf vom Strahl.
In meinen Kerker! Was! Ihr überzeugt Euch –
     
    Kunigunde (unterbricht ihn).
Drückt mich mit Eurer Großmut nicht zu Boden! –
Ich bitt um Eure Hand!
     
    Der Graf vom Strahl.    He! Fackeln! Leuchtet! (Ab.)
     
    Szene: Schloß Wetterstrahl. Ein Gemach in der Burg.
     

Neunter Auftritt
     
    Kunigunde, in einem halb vollendeten, romantischen Anzuge, tritt auf, und setzt sich vor einer Toilette nieder. Hinter ihr Rosalie und die alte Brigitte.
     
    Rosalie (zu Brigitten). Hier, Mütterchen, setz dich! Der Graf vom Strahl hat sich bei meinem Fräulein anmelden lassen; sie läßt sich nur noch die Haare von mir zurecht legen, und mag gern dein Geschwätz hören.
     
    Brigitte (die sich gesetzt). Also Ihr seid Fräulein Kunigunde von Thurneck?
     
    Kunigunde. Ja Mütterchen; das bin ich.
     
    Brigitte. Und nennt Euch eine Tochter des Kaisers?
     
    Kunigunde. Des Kaisers? Nein; wer sagt dir das? Der jetzt lebende Kaiser ist mir fremd; die Urenkelin eines der vorigen Kaiser bin ich, die in verflossenen Jahrhunderten, auf dem deutschen Thron saßen.
     
    Brigitte. O Herr! Es ist nicht möglich? Die Urenkeltochter –
     
    Kunigunde. Nun ja!
     
    Rosalie. Hab ich es dir nicht gesagt?
     
    Brigitte. Nun, bei meiner Treu, so kann ich mich ins Grab legen: der Traum des Grafen vom Strahl ist aus!
     
    Kunigunde. Welch ein Traum?
     
    Rosalie. Hört nur, hört! Es ist die wunderlichste Geschichte von der Welt! – – Aber sei bündig, Mütterchen, und spare den Eingang; denn die Zeit, wie ich dir schon gesagt, ist kurz.
     
    Brigitte. Der Graf war gegen das Ende des vorletzten Jahres, nach einer seltsamen Schwermut, von welcher kein Mensch die Ursache ergründen konnte, erkrankt; matt lag er da, mit glutrotem Antlitz und phantasierte; die

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