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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich von Kleist
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Ärzte, die ihre Mittel erschöpft hatten, sprachen, er sei nicht zu retten. Alles, was in seinem Herzen verschlossen war, lag nun, im Wahnsinn des Fiebers, auf seiner Zunge: er scheide gern, sprach er, von hinnen; das Mädchen, das fähig wäre, ihn zu lieben, sei nicht vorhanden; Leben aber ohne Liebe sei Tod; die Welt nannt er ein Grab, und das Grab eine Wiege, und meinte, er würde nun erst geboren werden. – Drei hintereinander folgende Nächte, während welcher seine Mutter nicht von seinem Bette wich, erzählte er ihr, ihm sei ein Engel erschienen und habe ihm zugerufen: Vertraue, vertraue, vertraue! Auf der Gräfin Frage: ob sein Herz sich, durch diesen Zuruf des Himmlischen, nicht gestärkt fühle? antwortete er: »Gestärkt? Nein!« – und mit einem Seufzer setzte er hinzu: »doch! doch, Mutter! Wenn ich sie werde gesehen haben!« – Die Gräfin fragt: und wirst du sie sehen? »Gewiß!« antwortet er. Wann? fragt sie. Wo? – »In der Silvesternacht, wenn das neue Jahr eintritt; da wird er mich zu ihr führen.« Wer? fragt sie, Lieber; zu wem? »Der Engel«, spricht er, »zu meinem Mädchen« – wendet sich und schläft ein.
     
    Kunigunde. Geschwätz!
     
    Rosalie. Hört sie nur weiter. – Nun?
     
    Brigitte. Drauf in der Silvesternacht, in dem Augenblick, da eben das Jahr wechselt, hebt er sich halb vom Lager empor, starrt, als ob er eine Erscheinung hätte, ins Zimmer hinein, und, indem er mit der Hand zeigt: »Mutter! Mutter! Mutter!« spricht er. Was gibts? fragt sie. »Dort! Dort!« Wo? »Geschwind!« spricht er. – Was? – »Den Helm! Den Harnisch! Das Schwert!« – Wo willst du hin? fragt die Mutter. »Zu ihr«, spricht er, »zu ihr. So! so! so!« und sinkt zurück; »Ade, Mutter ade!« streckt alle Glieder von sich, und liegt wie tot.
     
    Kunigunde. Tot?
     
    Rosalie. Tot, ja!
     
    Kunigunde. Sie meint, einem Toten gleich.
     
    Rosalie. Sie sagt, tot! Stört sie nicht. – Nun?
     
    Brigitte. Wir horchten an seiner Brust: es war so still darin, wie in einer leeren Kammer. Eine Feder ward ihm vorgehalten, seinen Atem zu prüfen: sie rührte sich nicht. Der Arzt meinte in der Tat, sein Geist habe ihn verlassen; rief ihm ängstlich seinen Namen ins Ohr; reizt’ ihn, um ihn zu erwecken, mit Gerüchen; reizt’ ihn mit Stiften und Nadeln, riß ihm ein Haar aus, daß sich das Blut zeigte; vergebens: er bewegte kein Glied und lag, wie tot.
     
    Kunigunde. Nun? Darauf?
     
    Brigitte. Darauf, nachdem er einen Zeitraum so gelegen, fährt er auf, kehrt sich, mit dem Ausdruck der Betrübnis, der Wand zu, und spricht: »Ach! Nun bringen sie die Lichter! Nun ist sie mir wieder verschwunden!« – gleichsam, als ob er durch den Glanz derselben verscheucht würde. – Und da die Gräfin sich über ihn neigt und ihn an ihre Brust hebt und spricht: Mein Friedrich! Wo warst du? »Bei ihr«, versetzt er, mit freudiger Stimme; »bei ihr, die mich liebt! bei der Braut, die mir der Himmel bestimmt hat! Geh, Mutter geh, und laß nun in allen Kirchen für mich beten: denn nun wünsch ich zu leben.«
     
    Kunigunde. Und bessert sich wirklich?
     
    Rosalie. Das eben ist das Wunder.
     
    Brigitte. Bessert sich, mein Fräulein, bessert sich, in der Tat; erholt sich, von Stund an, gewinnt, wie durch himmlischen Balsam geheilt, seine Kräfte wieder, und ehe der Mond sich erneut, ist er so gesund wie zuvor.
     
    Kunigunde. Und erzählte? – Was erzählte er nun?
     
    Brigitte. Ach, und erzählte, und fand kein Ende zu erzählen: wie der Engel ihn, bei der Hand, durch die Nacht geleitet; wie er sanft des Mädchens Schlafkämmerlein eröffnet, und alle Wände mit seinem Glanz erleuchtend, zu ihr eingetreten sei; wie es dagelegen, das holde Kind, mit nichts, als dem Hemdchen angetan, und die Augen bei seinem Anblick groß aufgemacht, und gerufen habe, mit einer Stimme, die das Erstaunen beklemmt. »Mariane!« welches jemand gewesen sein müsse, der in der Nebenkammer geschlafen; wie sie darauf, vom Purpur der Freude über und über schimmernd, aus dem Bette gestiegen, und sich auf Knieen vor ihm niedergelassen, das Haupt gesenkt, und: mein hoher Herr! gelispelt; wie der Engel ihm darauf, daß es eine Kaisertochter sei, gesagt, und ihm ein Mal gezeigt, das dem Kindlein rötlich auf dem Nacken verzeichnet war, – wie er, von unendlichem Entzücken durchbebt, sie eben beim Kinn gefaßt, um ihr ins Antlitz zu schauen: und wie die unselige Magd nun, die Mariane, mit Licht gekommen, und die ganze Erscheinung bei ihrem Eintritt

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