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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
Autoren: Heinrich von Kleist
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berühren, das ich nicht
Mit eignen Händen selbst vorher geprüft.
     
    (Alle ab. Der Vorhang fällt.)
     

Dritter Aufzug
     

Erste Szene
     
    Gegend im Gebirge. Agnes sitzt im Vordergrunde der Höhle in der Stellung der Trauer. Ottokar tritt auf, und stellt sich ungesehen nahe der Höhle. Agnes erblickt ihn, tut einen Schrei, springt auf und will entfliehen.
     
    Agnes (da sie sich gesammelt hat).
Du bists. –
     
    Ottokar.    Vor mir erschrickst du?
     
    Agnes.     Gott sei Dank.
     
    Ottokar.
Und wie du zitterst. –
     
    Agnes. Ach es ist vorüber.
     
    Ottokar.
Ists wirklich wahr, vor mir wärst du erschrocken?
     
    Agnes.
Es ist mir selbst ein Rätsel. Denn soeben
Dacht ich noch dran, und rief den kühnen Mut,
Die hohe Kraft, die unbezwingliche
Standhaftigkeit herbei, mir beizustehn
– Und doch ergriffs mich, wie unvorbereitet,
– – Nun, ists vorbei. –
     
    Ottokar.       O Gott des Schicksals! Welch ein schönes,
Welch ruhiges Gemüt hast du gestört!
     
    Agnes.
– Du hast mich herbestellt, was willst du?
     
    Ottokar.      Wenn
Ichs dir nun sage, kannst du mir vertraun,
Maria?
     
    Agnes.    Warum nennst du mich Maria?
     
    Ottokar.
Erinnern will ich dich mit diesem Namen
An jenen schönen Tag, wo ich dich taufte.
Ich fand dich schlafend hier in diesem Tale,
Das einer Wiege gleich dich bettete.
Ein schützend Flordach webten dir die Zweige,
Es sang der Wasserfall ein Lied, wie Federn
Umwehten dich die Lüfte, eine Göttin
Schien dein zu pflegen. – Da erwachtest du,
Und blicktest wie mein neugebornes Glück
Mich an. – Ich fragte dich nach deinem Namen;
Du seist noch nicht getauft, sprachst du. – Da schöpfte
Ich eine Hand voll Wasser aus dem Quell,
Benetzte dir die Stirn, die Brust, und sprach:
Weil du ein Ebenbild der Mutter Gottes,
Maria tauf ich dich.
(Agnes wendet sich bewegt.)
  Wie war es damals
Ganz anders, so ganz anders. Deine Seele
Lag offen vor mir, wie ein schönes Buch,
Das sanft zuerst den Geist ergreift, dann tief
Ihn rührt, dann unzertrennlich fest ihn hält.
Es zieht des Lebens Forderung den Leser
Zuweilen ab, denn das Gemeine will
Ein Opfer auch; doch immer kehrt er wieder
Zu dem vertrauten Geist zurück, der in
Der Göttersprache ihm die Welt erklärt,
Und kein Geheimnis ihm verbirgt, als das
Geheimnis nur von seiner eignen Schönheit,
Das selbst ergründet werden muß.
     Nun bist
Du ein verschloßner Brief. –
     
    Agnes (wendet sich zu ihm).     Du sagtest gestern,
Du wolltest mir etwas vertraun.
     
    Ottokar.    Warum
Entflohest du so schleunig?
     
    Agnes.    Das fragst du?
     
    Ottokar.
Ich kann es fast erraten – vor dem Jüngling,
Der uns hier überraschte; denn ich weiß,
Du hassest alles, was aus Rossitz ist.
     
    Agnes.
Sie hassen mich.
     
    Ottokar.      Ich kann es fast beschwören,
Daß du dich irrst. – Nicht alle wenigstens;
Zum Beispiel für den Jüngling steh ich.
     
    Agnes.      Stehst du. –
     
    Ottokar.
Ich weiß, daß er dich heftig liebt. –
     
    Agnes.     Mich liebt. –
     
    Ottokar.
Denn er ist mein vertrauter Freund. –
     
    Agnes.      Dein Freund –?
     
    Ottokar.
– Was fehlt dir, Agnes?
     
    Agnes. Mir wird übel.
(Sie setzt sich.)
     
    Ottokar.       Welch
Ein Zufall – wie kann ich dir helfen?
     
    Agnes.      Laß
Mich einen Augenblick. –
     
    Ottokar. Ich will dir Wasser
Aus jener Quelle schöpfen. (Ab.)
     
    Agnes (steht auf).      Nun ists gut.
Jetzt bin ich stark. Die Krone sank ins Meer,
Gleich einem nackten Fürsten werf ich ihr
Das Leben nach. Er bringe Wasser, bringe
Mir Gift, gleichviel, ich trink es aus, er soll
Das Ungeheuerste an mir vollenden.
(Sie setzt sich.)
     
    Ottokar (kommt mit Wasser in dem Hute).
Hier ist der Trunk – fühlst du dich besser?
     
    Agnes.        Stärker
Doch wenigstens.
     
    Ottokar.       Nun, trinke doch. Es wird
Dir wohltun.
     
    Agnes.     Wenns nur nicht zu kühl.
     
    Ottokar.     Es scheint
Mir nicht.
     
    Agnes.    Versuchs einmal.
     
    Ottokar.   Wozu? Es ist
Nicht viel.
     
    Agnes.     – Nun, wie du willst, so gib.
     
    Ottokar.       Nimm dich
In acht, verschütte nichts.
     
    Agnes.   Ein Tropfen ist
Genug. (Sie trinkt, wobei sie ihn unverwandt ansieht.)
     
    Ottokar.   Wie schmeckt es dir?
     
    Agnes.    ‘s ist kühl.
(Sie schauert.)
     
    Ottokar.      So trinke
Es aus.
     
    Agnes.    Soll ichs ganz leeren?
     
    Ottokar.    Wie du willst,
Es reicht auch hin.
     
    Agnes. Nun,
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