Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
sehen lernen muß.
Diese Betrachtungen sind ohne Zweifel von der Regierung in Erwägung gezogen worden und wir führen sie hier nur an, um der Ungeduld derjenigen zu begegnen, welche die Publikation der Edikte über diesen Gegenstand nicht erwarten können.
Über die Finanzmaßregelung der Regierung
Mein teurer Freund!
Aus der Kabinettsorder Sr. Majestät des Königs vom 28. Dezember v. J. haben Sie ersehen, daß, gegen die, zur Tilgung der Nationalschuld ergriffenen Maßregeln, eine ehrfurchtsvolle aber eindringliche Vorstellung, von Seiten der Stände des Stolpischen Kreises, eingegangen ist. Über den Inhalt jener Vorstellung gibt das königliche Schreiben keine weitere Auskunft; inzwischen wollen Sie aus guter Quelle wissen, daß der besagte Kreis darin über die indirekte Form der Besteurung geklagt habe; die Last der damit verbundenen Kontrollen legt er auseinander, und bringt am Schluß auf unerwartete Weise den Gedanken zur Sprache, lieber die ganze Quote der Kontribution, die auf seinen Teil fällt, bar innerhalb des Raums von sechs Monaten entrichten zu wollen. Wenn nun, fragen Sie, anzunehmen wäre, daß auch bei dem übrigen Teil der Stände, zur Erhaltung der alten Ordnung der Dinge, dieser Entschluß zur Reife gelangen könnte: warum griff die Regierung nicht sogleich, ohne irgend die Grundlage der Verfassung anzurühren, zu einem Mittel, das mit einem Mal den ganzen gordischen Knoten der Staatsaufgabe, auf die es ankommt, löst?
Ihnen zu Gefallen will ich einmal in die Meinung, als ob eine direkte Besteurung des Landes, behufs einer Abtragung der Nationalschuld, beides, ausführbar und zweckmäßig, wäre, eingehen. Ich will vergessen, daß in der Verfassung, so wie sie seit Friedrich dem Ersten bestand, mancherlei vorhanden war, das, auf ganz augenscheinliche Weise, einer Ausbesserung oder einesUmbaus bedurfte; ich will annehmen, daß die Tilgung der Nationalschuld der einzige und letzte Zweck aller Verordnungen gewesen wäre, die seit dem 27. Okt. v.J. im Umfange der Monarchie erschienen sind.
Fern sei von mir, zur Einleitung in das, was ich Ihnen zu sagen habe, in die auf allen Lippen ertönende Klage, über Mangel an Gemeingeist und Patriotismus einzustimmen! In einem Augenblick, wie der jetzige ist, scheint es mir doppelt unschicklich, diese Untugend der Zeit, wenn sie vorhanden sein sollte, anders anzuklagen, als durch die bessere Tat. Wer Vergangenheit und Zukunft ins Auge faßt, der ist mit der Gegenwart, als dem Mittelglied derselben, ausgesöhnt; und wenn ein beträchtlicher Zeitraum von Jahren verflossen ist, ohne daß die Kraft der Hingebung und Aufopferung für das Gemeinwesen wäre erprobt und geübt worden, so ist dies nur ein Grund mehr für mich, zu glauben, daß wir dem Zeitpunkt ganz nahe sind, wo ihm die größesten und herrlichsten Opfer, würdig der schönsten Beispiele der Vorzeit, werden gebracht werden.
Aber gesetzt, die Regierung hätte, Ihrem Vorschlage gemäß, ohne die Form der Verfassung, wie es geschehen ist, anzurühren, die Summe der Nationalschuld direkt, sei es nun unter der Form einer Anleihe oder einer Kontribution, von dem Lande eingefordert: mit welchem Geiste, meinen Sie, würde diese Anforderung wohl, bei der Erschütterung alles innerlichen Wohlstandes, von dem Lande aufgenommen worden sein; Würde man sich zu einer Kraftäußerung so außerordentlicher Art, schon vor acht Wochen, als man das Drückende, das in der Alternative lag, nicht kannte, so schlagfertig und bereitwillig gezeigt haben; Hatten die Stände, möcht ich fragen, damals diese Kraft schon, und ging nicht (ich berufe mich auf Sie selbst) von Mund zu Mund, auf nichts gestützt und doch nichtsdestoweniger allgemein, die Behauptung, daß die Kontribution die Kräfte des Landes bei weitem übersteige?
Wie nun, wenn der Gedanke, diese Kraft in dem Schoß der Nation zu erwecken und zu reifen, mit in die Waageschale gefallen wäre; Wenn man die Reaktion, die gegen den Inbegriff der erlassenen Verordnungen, auf ganz notwendige Weise, eintreten mußte, gar wohl berechnet hätte, und nicht sowohl derBuchstabe derselben, als vielmehr der Geist, den sie, infolge jener natürlichen Reaktion, annehmen würden, die Absicht und der Zweck der Regierung gewesen wäre? –
Boerhaave erzählt von einem Holländer, der paralytisch war, daß er, seit mehreren Jahren schon, nicht die Kräfte gehabt habe, die Türe seines Zimmers zu öffnen. Als aber zufällig Feuer in dem Zimmer entstand: hatte er die
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