Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
hörte nur einzelne, von Tränen unterbrochene, Laute von ihm: »Niemals – niemals empfand ich –! Daß ich in diesem Augenblick sterben möchte –! Ich würde glücklich in die andere Welt hinüber schlummern!«
In eben diesem Augenblick wird von Salieri, der das Konzert dirigierte, das Zeichen zum Anfang desselben gegeben; Kreuzer am Flügel, Clementi (mit der ersten Violine), Weinmüller, Radichi, und eine Auswahl von Liebhabern, beginnen, mit bewundernswürdiger Einheit und Innigkeit, die Aufführung der Haydnschen Schöpfung. Vielleicht ist dies Werk noch nie in solcher Vollkommenheit exekutiert worden; die Talente übertrafen sich selbst, und die Zuhörer empfanden, was sie nie wieder empfindenwerden. Haydn, dessen Herz, alt und schwach, von Gefühlen überwältigt ward, zerfloß in Tränen, er vermochte nichts, als seine Hände, sprachlos, zum Zeichen seiner Dankbarkeit, gen Himmel zu heben.
Inzwischen hatte das Gefühl, das dieses Fest anordnete, vorausgesehen, was es der Gesundheit des ehrwürdigen Greises, durch die damit verbundenen Erschütterungen, kosten konnte: und schon zu Ende des ersten Akts erschien der Tragsessel wieder, der ihn zurückbringen sollte. Haydn winkte den Trägern, sich zu entfernen, um keine Störung im Saal zu veranlassen; aber man drang in ihn, sich nach Hause zu begeben, und so ward er mit demselben Triumph, obschon nicht mehr mit dem Ausdruck ungetrübter Heiterkeit, mit welchem er erschienen war, wieder weggebracht.
Jedes Herz glaubte, als er den Saal verließ, ihm das letzte Lebewohl zu sagen.
Im Vorzimmer streckte er noch einmal die Hände über die Versammlung aus, gleichsam um sie zu segnen; und ein Vorgefühl von Trauer trat an die Stelle der frohen Begeisterung, mit welcher man ihn empfangen hatte.
Dies Vorgefühl war nur zu gerecht. Haydn, in seine Wohnung angekommen, hatte das Bewußtsein verloren; und zwei und einen halben Monat darauf (den 31. Mai) war er tot.
Redaktionelle Anzeigen und Erklärungen
[Für den »Phöbus«]
Phöbus
Ein Journal für die Kunst
herausgegeben von Heinrich v. Kleist und Adam H. Müller
Unser Bestreben, die edelsten und bedeutendsten Künstler und Kunstfreunde für eine allgemeinere Verbindung zu gewinnen, als sie bereits in Dresden, dem Lieblingssitze der deutschen Kunst, existierte, hat den glücklichsten Fortgang. Demnach beginnen wir mit dem Jahre 1808, nach dem etwas modifizierten und erweiterten Plane der Horen , unter dem oben aufgeführten Titel unser durch vielfältigen Anteil begünstigtes Kunstjournal. Kunstwerke, von den entgegengesetztesten Formen, welchen nichts gemeinschaftlich zu sein braucht, als Kraft, Klarheit und Tiefe, die alten, anerkannten Vorzüge der Deutschen – und Kunstansichten, wie verschiedenartig sie sein mögen, wenn sie nur eigentümlich sind und sich zu verteidigen wissen, werden in dieser Zeitschrift wohltätig wechselnd aufgeführt werden.
Wir stellen den Gott, dessen Bild und Name unsre Ausstellungen beschirmt, nicht dar, wie er in Ruhe, im Kreise der Musen auf dem Parnaß erscheint, sondern vielmehr wie er in sichrer Klarheit die Sonnenpferde lenkt. Die Kunst in dem Bestreben recht vieler gleichgesinnter, wenn auch noch so verschieden gestalteter Deutschen darzustellen, ist dem Charakter unsrer Nation angemessener, als wenn wir die Künstler und Kunstkritiker unsrer Zeit in einförmiger Symmetrie und im ruhigen Besitz um irgend einen Gipfel noch so herrlicher Schönheit versammeln möchten. – Unter dem Schutze des daherfahrenden Gottes eröffnen wir einen Wettlauf; jeder treibt es so weit er kann, und bleibt unüberwunden, da niemand das Ziel vollkommen erreichen, aber dafür jeder neue Gemüter für den erhabenen Streit entzünden kann, ohne Ende fort.
Wir selbst wissen unsere Arbeiten an keinen ehrenvollerenPlatz zu stellen, als neben andere ebenso eigentümliche und strenge; Ansichten und Werke können sehr wohl mit einander streiten, ohne sich gegenseitig aufzuheben. Aber wie wir selbst bewaffnet sind, werden wir keinen andern Unbewaffneten oder auch nur Leichtbewaffneten auf dem Kampfplatz, den wir hierdurch eröffnen, neben uns leiden. Große Autoren von längst begründetem Ruhm werden mit uns sein; andre, wie das Eisen den Mann an sich zieht, werden ihnen nachfolgen, wenn sie den Geist dieser Unternehmung in seiner Dauer sehen werden.
Die bildende Kunst wird ohne Rücksicht auf den spielenden und flachen Zeitgeist, mit Strenge und Ernst, in die ganze
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