Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich von Kleist
Vom Netzwerk:
dir
Der felszerstiebten Katarakten Fall?
Wenn hoch die Sonn in seinem Tempel strahlt
Und von der Freude Pulsschlag eingeläutet,
Ihn alle Gattungen Erschaffner preisen,
Steigst du nicht in des Herzens Schacht hinab
Und betest deinen Götzen an?
     
    Alkmene: Entsetzlicher! Was sprichst du da? Kann man
Ihn frömmer auch, und kindlicher, verehren?
Verglüht ein Tag, daß ich an seinem Altar
Nicht für mein Lebend dankend, und dies Herz,
Für dich auch du Geliebter, niedersänke?
Warf ich nicht jüngst noch in gestirnter Nacht
Das Antlitz tief, inbrünstig, vor ihm nieder,
Anbetung, glühnd, wie Opferdampf, gen Himmel
Aus dem Gebrodel des Gefühls entsendend?
     
    Jupiter: Weshalb warfst du aufs Antlitz dich? – Wars nicht,
Weil in des Blitzes zuckender Verzeichnung
Du einen wohlbekannten Zug erkannt?
     
    Alkmene: Mensch! Schauerlicher! Woher weißt du das?
     
    Jupiter: Wer ists, dem du an seinem Altar betest?
Ist ers dir wohl, der über Wolken ist?
Kann dein befangner Sinn ihn wohl erfassen?
Kann dein Gefühl, an seinem Nest gewöhnt,
Zu solchem Fluge wohl die Schwingen wagen?
Ists nicht Amphitryon, der Geliebte stets,
Vor welchem du im Staube liegst?
     
    Alkmene: Ach, ich Unsel’ge, wie verwirrst du mich.
Kann man auch Unwillkürliches verschulden?
Soll ich zur weißen Wand des Marmors beten?
Ich brauche Züge nun, um ihn zu denken.
     
    Jupiter:
Siehst du? Sagt ich es nicht? Und meinst du nicht, daß solche
Abgötterei ihn kränkt? Wird er wohl gern
Dein schönes Herz entbehren? Nicht auch gern
Von dir sich innig angebetet fühlen?
     
    Alkmene: Ach, freilich wird er das. Wo ist der Sünder,
Deß Huldgung nicht den Göttern angenehm.
     
    Jupiter: Gewiß! Er kam, wenn er dir niederstieg,
Dir nur, um dich zu zwingen ihn zu denken,
Um sich an dir, Vergessenen, zu rächen .
     
    Alkmene: Entsetzlich!
     
    Jupiter: Fürchte nichts. Er straft nicht mehr dich,
Als du verdient. Doch künftig wirst du immer
Nur ihn, versteh, der dir zu Nacht erschien,
An seinem Altar denken, und nicht mich.
     
    Alkmene: Wohlan! Ich schwör’s dir heilig zu! Ich weiß
Auf jede Miene, wie er ausgesehn,
Und werd ihn nicht mit dir verwechseln.
     
    Jupiter: Das tu. Sonst wagst du, daß er wiederkömmt.
So oft du seinen Namenszug erblickst,
Dem Diadem verzeichnet, wirst du seiner
Erscheinung auf das Innigste gedenken;
Dich der Begebeheit auf jeden Zug erinnern;
Erinnern, wie vor dem Unsterblichen
Der Schreck am Rocken dich durchzuckt; wie du
Das Kleinod von ihm eingetauscht; wer dir
Beim Gürten hülfreich war, und was
Beim Ortolan geschehn. Und stört dein Gatte dich,
So bittest du ihn freundlich, daß er dich
Auf eine Stunde selbst dir überlasse.
     
    Alkmene: Gut, gut, du sollst mit mir zufrieden sein.
Es soll in jeder ersten Morgenstunde
Auch kein Gedanke fürder an dich denken:
Jedoch nachher vergeß ich Jupiter.
     
    Jupiter: Wenn also jetzt in seinem vollen Glanze,
Gerührt durch so viel Besserung,
Der ewg’ Erschütterer der Wolken sich dir zeigte,
Geliebte! sprich, wie würdest du dich fassen?
     
    Alkmene: Ach, der furchtbare Augenblick! hätt ich
Doch immer ihn gedacht nur beim Altar,
Da er so wenig von dir unterschieden.
     
    Jupiter: Du sahst noch sein unsterblich Antlitz nicht,
Alkmene. Ach, es wird das Herz vor ihm
In tausendfacher Seligkeit dir aufgehn.
Was du ihm fühlen wirst, wird Glut dir dünken,
Und Eis, was du Amphitryon empfindest.
Ja, wenn er deine Seele jetzt berührte,
Und zum Olymp nun scheidend wiederkehrt,
So wirst du das Unglaubliche erfahren,
Und weinen, daß du ihm nicht folgen darfst.
     
    Alkmene: Nein, nein, das glaube nicht, Amphitryon.
Und könnt ich einen Tag zurücke leben,
Und mich vor allen Göttern und Heroen
In meine Klause riegelfest verschließen,
So willigt ich –
     
    Jupiter: Wahrhaftig? tätst du das?
     
    Alkmene: So willigt ich von ganzem Herzen ein.
     
    Jupiter für sich: Verflucht der Wahn, der mich hierher gelockt!
     
    Alkmene: Was ist dir? zürnst du? Kränkt ich dich, Geliebter?
     
    Jupiter: Du wolltest ihm, mein frommes Kind,
Sein ungeheures Dasein nicht versüßen?
Ihm deine Brust verweigern, wenn sein Haupt,
Das weltenordnende, sie sucht,
Auf seinen Flaumen auszuruhen? Ach Alkmene!
Auch der Olymp ist öde ohne Liebe.
Was gibt der Erdenvölker Anbetung
Gestürzt in Staub, der Brust, der lechzenden?
Er will geliebt sein, nicht ihr Wahn von ihm.
In ew’ge Schleier eingehüllt,
Möcht er sich selbst in einer Seele spiegeln,
Sich aus der Träne des Entzückens

Weitere Kostenlose Bücher