Saemtliche Werke von Jean Paul
sprachen – »könnt’ ich Ihnen keines geben als mein eignes; das muß ich aber meinem Bruder in Sachsen samt dem Garten schicken – malen können Sie es mit zum Park, damit beide Stücke einen Meister hätten.« Dem scherzhaften Tone ist weit schwerer etwas abzuschlagen als dem ernsthaften – höchstens nur wieder im lustigen; aber zu diesem waren in Gustav alle Saiten abgerissen. Beata hatte die Anspielung auf den Park nicht verstanden; Bouse brachte die ganze Landschaftzeichnung und fragte sie, was ihr am meisten gefiele. Diese war für das Schattenreich und Abendtal (warum ließ sie den Eremitenberg aus?). »Aber die Menschen im Garten?« – fuhr sie fort (die arme Inquisitin heftete ihren stillen Blick fester aufs Abendtal); – »besonders die schöne Venus hier im Abendtal?« – Sie mußte endlich reden und sagte unbefangen: »Der Bildhauer wird sich nicht über den Zeichner zu beschweren haben, aber vielleicht der Maler über den Bildhauer; vielleicht hat auch bloß der Frost diese Venus ein wenig verdorben.« Die Residentin machte durch ihr Lachen und ihr witziges Anblicken Gustavs ein Bonmot daraus, sie ein wenig rot, ihn flammendrot, sie durch letztes wieder röter und vollends durch die Antwort: »So würde mein Bruder auch denken, wenn er die Venus so bekäme; Sie tun mir aber den Gefallen, meine Liebe, und sitzen unserem Herrn Maler mit, so kommt in unsern Park eine schönere Venus. Es ist mein Ernst. Die zwei nächsten Morgen geben Sie unsern Gesichtern, Herr von Falkenberg!« Die Gute schwieg; Gustav, der schon eingewilligt hatte, mit seinem Pinsel Bousens Antlitz zu verdoppeln, wäre bei einem Haare mit der Anmerkung losgebrochen, Beaten ihres vermög’ er nicht mit seinem nachzudrucken. Zum Glück fiel ihm ein, daß sie sich zur Tafel ankleiden würde – – (Am Sonntag über acht Tage muß ich meinen Sektor mit »Denn« anfangen – –).
Neunundzwanzigster oder XXII. Trinitatis-Sekto r
Die Ministerin und ihre Ohnmachten – und so weiter
Denn er war in jenem grünen Gewölbe, das Scheeraus größte Schönheiten umfing, in Bousens Zimmer, nur vormittags; nachmittags und später rauschten durch dasselbe die Ströme des Vergnügens, aus den Freudenkelchen von Freuden-Najaden ausgeschüttet. Der halbe Hofstaat fuhr aus Scheerau her. Bekanntlich hat dieser, indes das Volk nur Sabbate hat, lauter Sabbatjahre , und die nähern Diener des Fürsten suchen sich von den Dienern des Staates dadurch auszuzeichnen, daß sie gar nichts arbeiten; so wurden auch schon in den alten Zeiten den Göttern nur Tiere, die noch nichts gearbeitet hatten, auf den Altar gelegt. Ich weiß es recht gut, daß mehr als einer der paralytischen großen Welt Arbeit zumutet, die nämlich, sich und andre in einem fort zu amüsieren; diese ist aber so herkulisch schwer und nützt alle Kräfte so sehr ab, daß es genug ist, wenn sie sämtlich nach einer Fête morgens bei dem Auseinanderfahren oder am Tage darauf sich verstellen und sagen: »Bei alledem wars heute ein deliziöser Abend und überhaupt alles so brillant!« Große Quartanten-Theologen haben längst bewiesen, daß Adam vor dem Falle kein Vergnügen aus dem Essen und andern Vergnügungen geschöpfet habe – unsre Großen sind vor ihrem Falle ebenso schlimm daran und verrichten alles das in ihrer Unschuld, ohne den geringsten Spaß dabei zu haben. Ich wollt’, ich könnte dem Hofstaat helfen. – –
Ein Mensch, der eine festgesetzte Arbeitstunde (und wäre sie nur 30 Minuten lang) hat, siehet sich für emsiger an als einer, der gerade heute seinem 12stündigen Pensum 30 Minuten abgebrochen. Oefel warf sich selber seine übertriebene Anspannung vor und sagte, er wüßte sich nicht zu entschuldigen, daß er jeden Morgen eine volle Stunde schreibe am »Großsultan«. Erst darnach waren die ernsthaften Geschäfte des Tages zu Ende; er ließ sich nun zum ersten Male frisieren und einstäuben, um als Tagschmetterling gegen alle Toilettenspiegel anzuflattern; auf den Blumenkopf der Défaillante (so hieß noch die Ministerin) ließ er sich nieder. Alsdann ließ er sich zum zweiten Mal frisieren und beflügeln, um als bestäubter Dämmerung- und Nachtschmetterling zwischen den Spielmarken und Schaugerichten und ihren Ebenbildern herumzusausen. Ich würde auf dieses Gleichnis nicht gekommen sein, wenn mich nicht sein gehörntes und in eine Kapsel zusammenlaufendes Abendhaar auf die Raupen der Nachtschmetterlinge geführet hätte, denen auch hinten ein Horn
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