Saemtliche Werke von Jean Paul
noch Satiren, wenn sie gut und ungegründet waren; er tadelte die Weiber, weil er beweisen wollte, er erriete sie, und weil er das für schwer hielt; und ich halte ihn für einen Narren.
Drei Bergbohrer setzte er gewöhnlich an einem Mädchenherzen an, um eine Lücke darein zu bringen, in die er das Schießpulver legte, womit er die vererzte Liebeader aus dem Mädchen hervorsprengen wollte. Seine erste Miniergrube, die er heute wie allemal im weiblichen Herzen lud, war bei Beaten, daß er mit ihr lange von ihrem Anzug sprach – es ist ihnen, behauptete er, einerlei, ob man von ihren Gliedern oder ihren Kleidern redet; aber ich behaupte, die Häßliche trägt ihren Anzug als ihre Frucht , die Kokette als die bloße Gartenleiter oder den Obstbrecher und die Gute als das Laub der Frucht. Beata trug ihn wie Eva als Laubwerk.
Zweitens stellte er um Beaten die Schlag- und Garnwände der Metaphern, um sie darin zu jagen – er behauptete, wie die Mädchen das singen , was sie nie sagen würden (gleich denen, die zu stammeln aufhören, wenn sie zu singen anfangen), so lassen sie in Bildern und Allegorien alle die Geständnisse ihres Innern aus sich winden, die man ihnen mit eigentlichen Worten nie abföchte, ob es gleich einerlei wäre – ich hingegen behaupte, diese taugen nichts und die, die so viel taugen als Beata, können nicht mit Worten gefangen werden, weil ihre Gedanken nie schlimmer sind als ihre Worte. Freilich aus einem Zimmer (oder Herzen), wo es innen brennt und raucht, lodert die Flamme aus der ersten Öffnung heraus, die du aufmachst.
Seine dritte Behauptung und List war, Männer fühlten den Wert des Einfachen und das Erhabene der Aufrichtigkeit und der geraden Versicherung »ich habe dich lieb«, aber Mädchen wollten tournure und Feinheit und Umschweife in diese Versicherung, die türkische Briefstellerei durch gewachsene Blumen wär’ ihnen lieber als die mit poetischen, eine tätige Schmeichelei lieber als eine wörtliche – ich aber behaupte, daß er recht hat. Daher ließ er z. B. seine Repetieruhr vor der Ohnmächtigen allemal die Stunde ihres letzten Rendezvous repetieren, und er gefiel ihr unendlich; daher sah er eine allemal, wenns zu machen und zu merken war, schielend hinter dem Rücken im Spiegel an – daher steckt’ er gegen Beaten voll Teufeleien, die ich fast alle nennen sollte. Zwei nenn’ ich auch. Er erinnerte sich erstlich, daß er sich zu vergessen und auf ihre Hand die seinige im Feuer des Redens zu legen habe; darauf stellt’ er sich, als besänn’ er sich, als nähm’ er seiner Hand ein Lot ums andre in der Absicht, sie unvermerkt wegzuheben, sobald sie mehr nicht wöge als ein Fingerglied – »So handelt« (sagt’ er zu sich) »feinere Delikatesse immer; und ich werd’ es sehen, was sie verfängt.« Seine zweite Teufelei war, daß er in der Spiegelplatte, woran er saß, ihr Gesicht (seinem eignen gab er statt des Preises nur das Akzessit) anschielte und bewunderte, da er doch das Original näher hatte. Eine Schäferin von Porzellan trieb Schäfchen über den Spiegel: »Ich habe noch keine schönere Schäferin unter Glas gesehen«, sagt’ er doppelsinnig; »aber ich ein schöneres Schaf«, sagte die Défaillante und meinte ihn.
Diese Spiegelplatte kam mit ihrer Schäferin, die über ein umblümtes Ufer in das gläserne Wasser sah, und mit ihrem Lamm und Schäfer fast dem Gustavischen Kindheitspiele nahe. Beatens Auge verlor sich unwillkürlich zwischen diese Blumen und nahm ihr Ohr mit sich, in welches der Legationrat vergeblich mit seinem krieglistigen Witze einzubrechen trachtete. Gustavs Augen suchten und mieden nur – Augen, nicht Szenen; aus dem gesellschaftlichen Gewühl, unter dem seine innern Flügel erlagen, konnt’ er nur durch einen Springstab von außen in die Höhe. Denn die ausgenommen, die ihm ähnlich war, ritzten und beizten die andern alle, die es nicht waren, sein Inneres so sehr mit ihren Tischreden, daß er nie in größerer Beklemmung war als heute. Ich will das fliegende Tischgespräch, das die Tugend betraf, in Gedankenstrichen abgemarket hersetzen, weil mehre Köpfe daran sprachen, wie am Bauern-Tischgebet die ganze Familie antiphonierend betet.
»Man hat keine Tugend, sondern nur Tugenden – Die Weiber haben sie, die Männer bekriegen sie – Tugend ist nichts als eine ungewöhnliche Höflichkeit – Tugend ist un peu de pavillon joint à beaucoup de culasse ; mais le moyen de n’être que l’un ou que l’autre? – Sie ist, wie die
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