Saemtliche Werke von Jean Paul
aufrichtet…. Beata! ich kann keine Bitten haben und keine wagen; ich kann mir das Eden malen, das mir Beatens Blicke und Worte geben können, aber ich darf es nicht begehren; ich muß ans Ufer des Silberschattens, der uns schon im Traum und jetzo wie ein breiter Strom im Leben scheidet, mich mit allen meinen Wünschen heften; aber, Teuere, wenn ichs nicht zuweilen höre, wem das kostbarste Herz sich geschenket hat, wie soll ich den Mut behalten, es zu glauben? – Wenn ich dieses holde Herz unter so viel guten und erhöhten Menschen erblicke und dann zu mir sagen muß: ach ihr alle verdient es gleichwohl nicht: so sinkt ein freudiges Staunen auf mich, daß es meiner Seele sich gegeben, und ich glaub’ es kaum. Geliebte! tausend waren Deiner würdiger; aber keiner wäre durch Dich glücklicher geworden, als ich es bin!«
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Das Schwerste war jetzt, den Brief auf andern Flügeln als unter denen einer Brieftaube – Venus hing wahrscheinlich einen Postzug Brieftauben ihrer Gondel vor – an Ort und Stelle zu schaffen. Zu so etwas sah er keine Möglichkeit, weil er unter allen Möglichkeiten solche am schwersten sieht. – Meine Schwester sieht solche am leichtesten.
– Es gab sich alles in der Komödienprobe.
Ordentliche Komödien werden nämlich nicht, wie ihre Schwestern, die politischen, aufgeführt, ohne probiert zu sein. Ich will gern zwischen der Komödienprobe und der Komödie einen so schmalen papiernen Zwischenraum als möglich lassen; aber der Leser muß seines Orts auch behend zublättern und nicht sowohl die Hände in den Schoß legen als das Buch. Die Probe war im alten Schlosse – Oefel machte seine Sache gut genug – Beata noch besser – und Gustav am aller- schlechtesten. Denn die Gesichter des Fürsten und der Ohnmächtigen setzten wie Salpetersäure und Salz sein Herz fast zu einem Eiskegel um; vor manchen Menschen ist man schlaff und unfähig, begeisterte Gefühle zu haben. – Sonderbar! nur die seinigen, aber nicht Beatens ihre wurden von dieser durchs Theater streichenden Nordluft erkältet. Es ist aber doch nicht sonderbar; denn die Liebe wirft den Jüngling aus seinem Ich hinaus unter andre Ich, das Mädchen aber aus fremden in das ihrige hinein. Kaum oder wenig nahm Beata die Approchen des regierenden Akteurs oder agierenden Regenten wahr – Oefel aber sah es und dachte seinem Siege über den hohen Nebenbuhler nach –, welcher sich ihr in einer nicht sehr großen Schneckenlinie näher drehte, was er an Hofdamen gewohnt war, die nur in der Jugend ihre Tugend à la minutta weggeben, im Alter hingegen einen größern Handel damit in grosso treiben. Ich sagte eben etwas von einer Schneckenlinie, weil ich einen Einfall im Kopfe hatte, der so heißet: daß Weiber von Welt und die Sonne die Planeten unter dem Schein, sie in einem Kreise um ihre Strahlen herumzulenken, in der Tat in einer feinen Schneckenlinie zu ihrer brennenden Oberfläche hinanreißen.
Mitten im Probe-Drama, gerade als Gustav oder Henri der Marie das leere Papier als ein Diplom hinreichte, das ihre Verwandtschaft für null erklärte, fiel ihm das als Henri ein, was einem andern längst als Gustav eingefallen wäre, daß auf dem leeren Papier etwas könnte geschrieben stehen, und zwar das beste Etwas, sein Liebebrief, den wir schon längst gelesen haben. Kurz er nahm sich vor, seinen Brief in der Gestalt jenes Diploms ihr im Drama zuzustecken, wenns nicht anders zu machen wäre. Sogar das Romantische des Entschlusses, seine theatralische Rolle in seine wirkliche hineinzuziehen und so vielen Zuschauern eine andre Täuschung zu machen als eine poetische, hielt ihn nicht ab, sondern trieb ihn an. Ich will es nur gestehen, lieber Gustav – und fiele mein Geständnis selber in deine Hände –, auf deine himmlische Bescheidenheit war der Honigtau des Beifalls, den du an einem solchen Orte nicht einmal für Schmeichelei, sondern bloß für eine Façon zu reden berechtigt warest anzusehen, zerstörend gefallen! Unter allen Dingen ist menschliche Bescheidenheit am leichtesten totgeräuchert oder totgeschwefelt, und manches Lob ist so schädlich wie eine Verleumdung. Im Narrenhause sehen wir, daß der Mensch andern aufs Wort glaubt, er sei närrisch , und in Palästen sehen wir, daß er ihnen aufs Wort glaubt, er sei weise. – Überhaupt war Gustav – denn ein Mann ist oft an einem Abend bestimmt, nicht nur lauter schlechte Spiele hintereinander zu machen, sondern auch oft lauter unbedachtsame Streiche – am
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