Saemtliche Werke von Jean Paul
Komödienabend fast zu letztem ausersehen.
…. Endlich ist Bousens Geburtfest da…. Mein Gustav! – Noch heute weinen deine Augen nach!
Das Fest zerspällt sich in drei Gänge – Comédie – Souper – und bal paré. Im Grunde ist noch ein vierter Gang: ein Fall.
Am Tage des Drama leerte sich das neue Schloß in das fürstliche zu Oberscheerau aus. Gustav dachte unterwegs (im Wagen Oefels) an seinen Brief, den er übergeben wollte, und an den guten Doktor Fenk ein wenig; aber die abgekürzten Tage gaben ihm zu Besuchen keine Muße. Sein Fehler war, daß die Gegenwart vor ihm allemal wie ein Wasserfall alle ferne Laute überrauschte, – und er wäre vielleicht nicht einmal zu mir gekommen, wenn mich mein beschwerter juristischer Arbeittisch in die Stadt gelassen hätte.
Er sah seine Marie – zehnmal hunderttausend neue Reize…. ich will aber über mich herrschen: so viel ist psychologisch wahr, daß ein bekanntes Mädchen uns an einem fremden Orte auch fremd, aber nur desto schöner wird. Dieses hatte Beata mit der strahlenden Residentin gemein, aber ein gewisser Hauch von bescheidner Furchtsamkeit verschönerte sie mit seinem Schleier allein. Warum war Gustav diesesmal von ihr verschieden? Darum: die männliche Blödigkeit liegt bloß in der Erziehung und in Verhältnissen; die weibliche tief in der Natur – der Mann hat innerlichen Mut und bloß oft äußerliche Unbehülflichkeit; die Frau hat diese nicht und ist dennoch scheu – jener drückt seine Ehrfurcht durch Hinzutreten, diese durch Zurückweichen aus.
Die Ohnmächtige, die sogenannte Défaillante, oder die Ministerin heute ausgenommen! Ihr Winken und Blinken, ihr Lispeln und Zappeln, ihr Witzeln und Kitzeln, ihr Fürchten und Wagen, ihr Kokettieren und Persiflieren – wie soll das der einbeinige Jean Paul biographisch kopieren in gemeiner schlechter Prose? – Gleichwohl ists gar nicht anders zu machen, und er muß. Wenn die bunten Köpfe der Weiber im großen Garten der Natur die blauen, roten Glaskugeln auf lackierten Stativen vorzustellen hätten (welches unter hundert Männern nicht einer glaubt): so würd’ ich in meiner Schilderung so fortfahren: der Ministerin ihrer war nicht übel, sondern bunt; dieser Kopf war ein kurzer pragmatischer Auszug aus zehn andern Köpfen, die nämlich Haare, Zähne, Federn dazu zusammenschossen.
Sie war eine Antike von großer Schönheit, die aber nach den Verwüstungen der Jahre und Menschen nicht mehr unbeschädigt zu haben war; sie mußte also durch geschickte Bildhauer mit neuen Gliedern – z. B. Busen, Zähnen – ergänzet werden.
Auf den Wangen war die Legierung mit Rot , die tiefere Nachbarschaft wurde mit Weiß legiert.
Diejenigen Zähne, die den Menschen in die Reihe der grasfressenden Tiere setzen, die Schneidezähne, waren um so mehr so weiß wie Elfenbein, weil sie selber eines waren, und waren aus dem Munde eines grasfressenden Tieres; – ich mag nun darunter einen Elefanten oder einen gemeinen Mann verstehen, der die Zähne, die er als Ableger einem edlern Stamm einimpfet, selten in etwas anders als Vegetabilien setzet: so ist doch so viel gewiß, daß kein andrer Nachsatz dieses Periodens herpasset als der: sie hatte noch einmal so viel Zähne als andre Christinnen, und zwei Goldfäden dazu, weil der Zahnarzt die einen allemal im Hause und unter der Bürste hatte, während die andern die Dental-Buchstaben aussprachen.
Da man nach den neuesten Lehrbüchern die Trigonometrie und die Busen bloß in ebene und sphärische einteilen kann, und da sie ganz die scheinbare Wahl vor sich hatte: so zog ihr meßkünstlicher Geist diejenigen Größen, die dem Meßkünstler die meiste Anstrengung und das meiste Vergnügen geben, vor – die sphärischen.
Der Anzug selber suchte, von den Schuhrosetten bis zu den Hutrosetten, seinen Wert in der Form weit weniger als in der Materie und konnte mithin weniger mit den Augen als auf Juwelier-Waagen geschätzet werden, weniger nach Schönheitlinien als nach Karats – es blieb also zwischen ihr und ihrer gesetzgebenden Puppe immer ein Unterschied; übrigens mußte sie sich nach dieser so gut wie jede andre tragen. Ich will nur ein Wort zu seiner Zeit über die Puppen sagen.
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Das Wort über die Puppen
Diese Hölzer haben bekanntlich die gesetzgebende Macht über den schönern Teil der weiblichen Welt in Händen; denn sie sind die Legaten und Vizeköniginnen, welche aus Paris von der im Putz regierenden Linie abgeschickt werden, damit sie
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