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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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erzählte, daß ihr Vater sie erst in zwei Jahren heiraten werde, und daß sein Sohn ihre Schwester bekommen könnte, wenn diese nicht erst sechs Jahre alt wäre – und daß sie beide wie an Kindes Statt beim Sechsfinger angenommen worden – und daß er seine Bijouteriebude, womit er aus einem gräflichen Schlosse ins andre wanderte, gerade in dem des Grafen von O habe, nebst Tisch und Wohnung – und daß er ein Italiener sei, mit Namen – – Tostato . Himmel! den kannte ja Viktor so gut. Ohne weitere Frage – denn er ging ohnehin gern mit jedem Mädchen und mit jedem Spitzhunde ein paar Sabbaterwege und sagte, zwischen einem neuen und einem schönen Gesichte würd’ er gar keinen Unterschied machen, wenn er auch müßte – marschierte er mit ihr gerade hin zum Vater beim Grafen. Er enthülsete immer mehr an seiner kleinen Gesellschaftdame: sie war nicht nur außerordentlich schön, sondern auch ebenso – dumm.
    Jetzt aber entlief sie ihm; der flachsenfingische Hofstaat kam gefahren, und sie mußte das Aussteigen der Damen sehen. Er hielt sich nahe an den Schwanz des ganzen Corps, der noch auf der Straße aufstreifte, indes der halbe Rumpf schon im Schlosse steckte. Der nachfahrende Schwanz war etwas kurz und dünn, der Hofapotheker Zeusel , der aus Eitelkeit mit seinen 54 Jahren und Jugendkleidern und mit seiner stoßenden Kutsche bei der Sache war. Das kleinste Männchen von der Welt war im größten Wagen von der Welt so wenig für ein ens zu nehmen, daß ich seinen Wagen für einen leeren Zeremonienwagen anrechne, in welchem ihn der Kutscher wie einen dürren Kern in einer Walnuß schüttelte.
    Ich wills weitläuftig beschreiben, wie ihn der Kutscher worfelte und siebte, und mich dafür in unwichtigern Dingen kürzer fassen.
    Wenn ichs freilich dem Kutscher zuschreibe und sage, daß er dem Kutschkasten durch Steine und Schnelle jenen harten Pulsschlag zu geben wußte, daß Zeusel mehr auf der Luft aufsaß als auf dem Kutschkissen: so wird Kästner in Göttingen gegen mich schreiben und dartun, daß der Apotheker selber durch die Gegenwirkung, die er dem Kissen durch seinen Hintern tat, an dem Abstoßen des gleichnamigen Poles schuld war; allein hier ist uns hoffentlich weniger um die Wahrheit als um den Apotheker zu tun. Viktor als Hofdoktor nahm von weitem Anteil am Hofapotheker und lachte ihn aus; ja er hätte ihn gern gebeten, sich selber einsetzen zu dürfen, damit ers deutlicher sehen könnte, wie der gewandte Vetturin den Zeuselschen Ball geschickt in die Lüfte schlug. Aber den weichen Nerven Viktors wurden komische Szenen durch das physische Leiden, das sie in der Wirklichkeit bei sich führen, zu hart und grell – und er begnügte sich damit, daß er dem springenden Kasten hinten nachging und sich es bloß dachte, wie drinnen das Ding stieg gleich einem Barometer, um das heitere Wetter des betrunknen Kutschers anzudeuten – er malte sichs bloß aus (daher ichs nicht brauche), wie das gute Hofmännchen bei einem Klimax, wozu es der Kerl trieb, der jede Erhebung mit einer größern endigte, die linke Hand, statt in die Westentasche, bloß in den Kutschriemen stecken, und in der rechten eine Prise Schnupftabak seit einer Stunde wärmen und drücken muß und sie aus Mangel an Ruh’ und Rast nicht eher in die öde Nase heben kann, als bis der Spitzbube von Kutscher schreiet: brrrr!
    »Fort!« sagte die Dumme zu Viktor und zog ihn zum Vater. Der Italiener machte seine Windmühlen-Gestus und legte sich an Viktors Ohr an und sagte leise hinein: »dio vi salvi«; und dieser dankte ihm noch leiser ins italienische: »gran merce«. Darauf tat Tostato drei oder vier ungemein leise Flüche in Viktors Gehör. Er hatte nicht den Verstand verloren, sondern nur die Stimme, und durch nichts als einen Schnupfen. Er fluchte und kondolierte darüber, daß er gerade morgen so stockfisch-stumm sein müsse, wo so viel zu schneiden wäre. Viktor gratulierte ihm aufrichtig dazu und bat ihn, er möchte ihn bis auf morgen nicht nur zum Doktor annehmen, sondern auch zum Associé und Sprecher; er wolle morgen in der Bude für ihn reden, um besser und inkognito allem zuzusehen; »wenn Ihr mir heute«, versetzte Tostato, »noch eine lustige Historie erzählt.« Da er nun die von Zeusel vorbrachte mit einer italienischen Systole und Diastole der Hände; und da Tostato darüber närrisch wurde vor Spaß – der Italiener und Franzose lachen mit dem ganzen Körper, der Brite nur im Gehirne –: so wars kein Wunder, daß

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