Saemtliche Werke von Jean Paul
liefern und malen werde folgende
historische Benefizkomödie von der Übergabe der Prinzessin, in fünf Akten
(Das halbe Wort Benefiz bedeutet bloß den Nutzen, den ich selber davon habe.)
Erster Akt . Unter drei Zimmern ist das mittlere der Schauplatz, wo man spielt, der Handelsplatz, wo man auslegt, der Korrelationsaal (regensburgisch zu reden), wo alles Wichtige zeitigt und reift – hingegen in dem ersten Nachbar-Zimmer steckt der italienische, im zweiten der flachsenfingische Hofstaat, und jeder erwartet ruhig den Anfang einer Rolle, für die ihn die Natur geschaffen. Diese zwei Zimmer halt’ ich nur für die Sakristeien des größten.
Das Mittelzimmer, d. h. sein Vorhang, der aus zwei Flügeltüren gemacht ist, geht endlich auf und zeigt dem Associé Sebastian, der aus seinem Laden neben der katarrhalischen Firma hereinguckt, viel. Es tritt auf an der Türe der Kulisse No. 1 ein rotsamtner Stuhl; an der Türe der Kulisse No. 2 wieder einer, ein Bruder und Anverwandter von jenem; es sind diese Duplikate die Sessel, worin sich die Prinzessin setzt im Verfolge der Handlung, nicht weil die Müdigkeit, sondern weil ihr Stand es ausdrücklich begehrt. Mitten im Handeln ist schon ein langer befranster Tisch begriffen, der das Mittelzimmer, das selber ein Abteilzeichen der zwei Kulissen ist, abteilt in zwei Hälften. Man sollte nicht erwarten, daß dieser Sektiontisch sich seines Orts wieder von etwas werde halbieren lassen, was ein Dummer kaum sieht. Aber ein Mensch trete in Viktors Laden: so wird er einer Seidenschnur ansichtig, die, unter dem Spiegeltisch anfangend, über den Achatboden und unter dem Partage-Tisch wegstreichend, aufhört vorn an der Türschwelle; und so teilt ein bloßer Seidenstrang leicht den Abteiltisch und dadurch das Abteilzimmer und am Ende die Abteilschauspielergesellschaft in zwei der gleichsten Hälften – lasset uns daraus lernen, daß am Hofe alles tranchiert wird, und selber der Prosektor wird zu seiner Zeit hingestreckt auf den Zergliedertisch. Von dieser seidenen Schnur, womit der Großherr seine Günstlinge von oben dividiert, aber in Brüche, kann und soll im ersten Akt nicht mehr die Rede sein, weil er – aus ist…
Es wurde mir ungemein leicht, diesen Auftritt ernsthaft abzufassen; denn da nach Platner das Lächerliche nur am Menschen haftet, so war das Erhabene, das in meinem Aufzuge die Stelle des Komischen einnimmt, in einem Akte leicht zu haben, wo gar nichts Lebendiges spielte, nicht einmal Vieh.
Zweiter Akt . Das Theater wird jetzo lebendiger, und auf dasselbe hinaus tritt nun die Prinzessin an der Hand des italienischen Ministers aus der Kulisse No. 1; beide wirken anfangs, gleich der Natur, still auf diesem Paradeplatz, der schon auf dem Papier zwei Seiten lang ist…
Nur einen Blick vom Theater in die Hauptloge! Viktor spielt für sich, indem er unter den Lorgnetten, die er zu verkaufen hat, sich die hohleste ausklaubt und damit die Heldin meiner historischen Benefizkomödie ergreift… Er sah den Beicht- und Betschemel, auf dem sie heute schon gekniet hatte: »Ich wollt’,« (sagt’ er zu Tostato) »ich wäre heute der Pater gewesen, ich hätt’ ihr ihre Sünden vergeben, aber nicht ihre Tugenden.« Sie hatte zwar jenes regelmäßige Statuen- und Madonnengesicht, das ebensooft hohle als volle Weiberköpfe zudeckt; ihre Hofdebüt-Rolle verbarg zwar jede Welle und jeden Schimmer des Geistes und Gesichts unter der Eiskruste des Anstandes; aber ein sanftes Kindesauge, das uns auf ihre Stimme begierig macht, eine Geduld, die sich lieber ihres Geschlechtes als ihres Standes erinnert, eine müde Seele, die sich nach doppelter Ruhe, vielleicht nach den mütterlichen Gefilden sehnte, sogar ein unmerklicher Rand um die Augen, der von Augenschmerzen oder vielleicht von noch tiefern gezeichnet war, alle diese Reize, die zu Funken wurden, welche in den getrockneten Zunder des Associé hinter der Brille geschlagen wurden, machten diesen in seiner Loge ordentlich – halbtoll über das Schicksal solcher Reize. Und warum sollt’ es auch einem den Kopf nicht warm machen – zumal wenn schon das Herz warm ist –, daß diese unschuldigen Opfer gleich den Herrnhuterinnen zwischen ihrer Wiege und ihrem Brautbette Alpen und Meere gestellet sehen, und daß die Kabinette sie wie Seidenwurmsamen in Depeschen-Düten versenden?…. Wir kehren wieder zu unserem zweiten Akte, in dem man noch weiter nichts vornimmt, als daß man – ankommt.
Die Kulissen No. 1 und 2 stecken noch
Weitere Kostenlose Bücher