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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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und Herzen, um dem Staate zu dienen – sie achten Dichtkunst, Philosophie und Religion, aber als Mittel; sie achten Reichtum, statistischen Landesflor und Gesundheit, aber als Zwecke – sie ehren in der reinen Mathesis und in reiner Weibertugend nur beider Verwandlung in unreine für Fabriken und Armeen, in der erhabnen Astronomie nur die Verwandlung der Sonnen in Schrittzähler und Wegweiser für Pfefferflotten, und im erhabensten magister legens nur den anködernden Bierkranz für arme Universitäten. – –
    Die zweite Meinung ist wenigstens der ersten entgegen und besser: dem Lord ist, wie andern großen Menschen, die Laufbahn das Ziel, und die Schritte sind ihm die Kränze – Glück unterscheidet sich bei ihm von Unglück nicht im Werte , sondern in der Art , ihm sind beide zwei zusammenlaufende Rennbahnen zum Ewigkeit-Ringe der innern Erhebung – alle Zufälle dieses Lebens sind ihm bloße Rechenexempel in unbenannten Zahlen, die er durchmacht, aber nicht als Kaufmann, sondern als Indifferentialist und Algebraist, welchem die Produkte und die Multiplikanden gleich lieb sind, und dem es einerlei ist, mit Buchstaben oder mit Zentnern zu rechnen.
    Wahrhaftig, der Mensch hat sich fast ebensoviel vorzuwerfen, wenn er mißvergnügt, als wenn er lasterhaft ist; und da es auf seinen Gedanken-Ozean ankömmt, ob er aus ihm die unterste Hölle oder ein Arkadien-Otaheiti als Insel heben will: so verdient er alles, was er erschafft….
    Gleichwohl ist die dritte Meinung die wahre und zugleich die meinige: der Lord, so sehr er ein indeklinabler Mensch zu sein scheint, der nach nichts geht, sondern ein Verbum in ¼¹ ist, hat doch folgendes Paradigma – (und so liegt umgekehrt im gewöhnlichsten Menschen der kurze Abriß zum sonderbarsten) –: er ist einer der unglücklichen Großen, die zu viel Genie, zu viel Reichtum und zu wenig Ruhe und Kenntnisse haben, um glücklich zu bleiben – sie hetzen Freude statt der Tugend und verfehlen beide und schreien zuletzt über jeden bittern Tropfen, der ihnen in einem Zuckerhut eingegeben wird – gleich der Silberfläche sind sie gerade in der Zerschmelzung durch Freuden-Feuer am geneigtesten, sich mit einer dunkeln Haut zu überziehen – ihr Ehrgeiz, der sonst durch Plane die Leerheit des vornehmen Lebens bedeckt, ist nicht stark genug gegen ihr Herz, das in dieser Leerheit verwelkt – sie tun Gutes aus Stolz, aber ohne Liebe dazu, sie spielen mit dem ausgekernten Leben wie mit einer Locke und halten es nicht einmal der Mühe wert, es abzukürzen – aber doch halten sie es dieser Mühe wert, wenn ihnen, indes sie in diesem Nachtfrost der Seele dastehen, außen lächelnd und kalt, innen überglüht, ohne Hoffnung, ohne Furcht, ohne Glauben, entsagend, spielend und zugeschlossen, wenn ihnen ein Todesfall, ein großer Schmerz ins unglückliche Herz greift. – – Ach armer Lord! kann denn deines nicht eher als unter der Decke des schwarzen Marmors ruhen?
    Ach armer Lord! wiederholte unaufhörlich sein Sohn, der nach Maienthal mit einer gepreßten Seele ging. Außen um ihn war der Himmel still; ein großes Gewölk überdeckte ihn ganz, aber es stand ringsum auf einem blauen Saum am Horizont. Hingegen in Viktors Brust zogen Luftströme gegeneinander und wirbelten sich zu einer Windhose zusammen, die Bäche auftrinkt und Bäume aufzieht. – Sein Vater hing bleich in diesem Sturm. – Viktors künftige Tage wurden hin- und hergeschleudert. – Sein künftiges Leben drängte sich in ein enges überflortes Bild zusammen und machte ihn ebenso ängstlich darüber, daß er es leben müßte, als wie er es müßte.
    Am wehesten tat ihm gerade die sinnliche Kleinigkeit, daß sein Vater noch allein und verhüllt in der Insel geblieben war. Einmal fiel ihn die Vermutung an, ob nicht das meiste nur dramatische Maschinerie gewesen sei, die sein Vater (der in der Jugend ein Tragödiendichter gewesen) gebraucht habe, um seinem Gelübde der Verschwiegenheit mehr Festigkeit zu geben – aber sogleich ekelte ihn seines eignen Herzens. Warum sind die reinsten Seelen mit einer Menge ekelhafter, giftiger Gedanken gequält, die wie Spinnen an den glänzenden Wänden hinaufkriechen und die sie nur die Mühe totzudrücken haben? Ach unsre Kriege unterscheiden sich nicht ganz von unsern Niederlagen !
    Es ist sonderbar, daß er den perspektivischen Gedanken an Klotildens Blutverwandtschaft mit Flamin am wenigsten verfolgte. –
    Wenn der Mensch von der Vernunft keine balsamische Mittel erlangen

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