Saemtliche Werke von Jean Paul
Gymnasium poeticum in Regensburg. Hier wurde seine starke musikalische Begabung entdeckt. »In der Kapelle des damaligen Fürsten von Thurn und Taxis, des bekannten Kenner und Gönner der Musik, konnte er der Heiligen, zu deren Anbetung er geboren war, dienen.« Später brachte es Johann Christoph Richter sogar zum beliebten Kirchenkomponisten des Fürstentums. Jean Paul erzählt, wie sein Vater im Lärm der Stube ohne Zuhilfenahme eines Instruments an den Winterabenden seine Partituren schrieb. Dennoch wagte der junge Künstler nicht den extravaganten Schritt, sein Leben der geliebten Kunst anzuvertrauen, sondern studierte in Jena und auf der baireuther Landesuniversität Erlangen Theologie, plagte sich bis zu seinem 32. Lebensjahr in St. Georgen bei Baireuth als Hauslehrer ab und erhielt 1760 den Posten eines Organisten und Tertius in Wunsiedel, die Frucht eines fast zehnjährigen Wartens auf Anstellung. Ein verhältnismäßig immer noch günstiges Geschick.
»Er lebte auf Flügeln«, sagt Jean Paul von seinem Vater und bezeichnet damit das Hinreißende und Hingerissene seines Wesens. Ein Meister geselligen Scherzes, wurde er schon in Baireuth Liebling adliger Familien, und erregte durch seine außergewöhnliche Kanzelberedsamkeit Aufsehen. Ein Umstand, dem er wahrscheinlich nicht nur seine verhältnismäßig frühe Anstellung sondern auch seine Frau zu verdanken hat. In Hof im Vogtland verliebte er sich in Sophie Rosine Kuhn, die Tochter des wohlhabenden Tuchmachers Johann Paul Kuhn, und führte die Geliebte am 13. Oktober
1761 in
sein Schulhäuschen in Wunsiedel als Gattin heim. Daß es ohne größeren Widerstand seitens ihrer Verwandten abging, war wohl der eindrucksvollen und bedeutenden Erscheinung des jungen Schulmeisters zu verdanken. Denn im allgemeinen hätte ein junger Theologe vergeblich bei einem wohlhabenden Tuchmacher angeklopft.
Man wird sich indessen das Vermögen der mütterlichen Familie nicht als zu groß vorstellen dürfen. Nach der Erbteilung blieb für Sophie Rosine herzlich wenig übrig. Und auch die gesellschaftliche Stellung kann nicht bedeutend gewesen sein. Auf den Jahrmärkten hielt Johann Paul Kuhn selbst in seinem Verkaufsstand seine Waren feil, und seiner Tochter fehlte es an jeder Bildung. Dennoch hat sich die Familie Kuhn sicherlich in engem Krämerstolz über den studierten Hungerleider erhaben gefühlt.
Eine ältere Schwester ist bald nach der Geburt gestorben, so daß Johann Paul Friedrich Richter als Erstgeborner galt. »Gern bin ich in dir geboren, Städtchen am langen hohen Gebirge, dessen Gipfel wie Adlerhäupter zu uns niedersehen!« schreibt er von Wunsiedel. Zeit seines Lebens hat er an Wunsiedel mit treuer Liebe gehangen und die Stadt seiner ersten Kinderjahre mit bunten Phantasiefarben ausgeschmückt. Noch bei seinem ersten Hervortreten als Schriftsteller übersandte er ein Exemplar der »Grönländischen Prozesse« der Ratsbibliothek der Stadt. Aufgesucht hat er sie allerdings erst wieder im Alter, seinem Grundsatz gemäß, sich poetische Erinnerungen nicht durch eine vielleicht nüchterne Gegenwart zu gefährden.
Nur durch wenige Tatsachen ist Wunsiedel bekannt geworden. Im Jahr 1462 verteidigte es sich mit Erfolg gegen ein Heer von 10000 Hussiten. Jean Paul erwähnt diesen Beweis der Tapferkeit seiner Mitbürger voller Stolz. 1795 wurde der Ermorder Kotzebues, Karl Sand, »der schwärmerischste deutsche Jüngling neuester Zeit«, wie Jean Pauls erster Biograph Richard Otto Spazier schreibt, in Wunsiedel geboren. Wenn auch Jean Paul sich von der mörderischen Gewalttat abgewendet hat, die Kampfeinstellung Sands für die deutsche Freiheit und Einheit teilte er. In ihr trafen die beiden berühmt gewordenen Söhne der Stadt zusammen.
Einen Tag nach seiner Geburt wurde der kleine Fritz, wie er genannt wurde, vom Senior (ältesten Pfarrer) Apel getauft. Seine Taufpaten waren der mütterliche Großvater Johann Paul Kuhn und der Buchbinder Johann Friedrich Thieme, »der damals nicht wußte, welchem Mäzen seines Handwerks er seinen Namen verlieh.« Daß der Tag seiner Geburt der Anfang des Frühlings war, konnte auf einen Dichter nicht ohne Eindruck bleiben. »In dem Monate,« schreibt Jean Paul über sein Geburtsdatum, »wo mit ihm noch die gelbe und graue Bachstelze, das Rotkehlchen, der Kranich, der Rohrammer und mehrere Schnepfen und Sumpfvögel anlangten, nämlich im März; – und zwar an dem Monattage, wo, falls man Blüten auf seine Wiege zu streuen hatte,
Weitere Kostenlose Bücher