Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
Vom Netzwerk:
Wonsiedel – zum Fürstentum Baireuth, das wenige Jahre nach seiner Geburt mit Ansbach vereinigt wurde. 1791 kamen beide an Preußen, 1810 an Bayern. Dieser mehrfache Wechsel ist auf Jean Pauls Werk nicht ohne Einfluß geblieben. Die Eifersucht erbberechtigter Dynastien bildet ein ständiges Thema seiner Romane. In der rücksichtslosen Ländergier, die selbst vor Verbrechen in bürgerlichem Sinne nicht zurückschreckt, faßte er die ihm verhaßten Territorialdynastien bei ihrem angreifbarsten Punkte. Mit der Mehrzahl seiner Landsleute atmete er auf, als das Land an Preußen fiel und der Willkür seiner Fürsten entzogen wurde, wenn auch die Mätressenwirtschaft Friedrich Wilhelms II. zunächst wenig verlockende Aussichten bot.
    Man kann sagen, daß Jean Paul aus dem Herzen Deutschlands stammt. Denn das Fichtelgebirge ist die Grenzscheide von Nord- und Süddeutschland. Nach allen Richtungen hin entsendet es deutsche Ströme. Aber Jean Pauls Heimat ist auch Grenzland, berührt sich mit slawischem Volkstum und weist wendischen Einschlag auf. So gehört auch das Fürstentum Baireuth zu dem deutsch-slawischen Ostraum, der um die Mitte des 18. Jahrhunderts eine so überraschende Anzahl genialer Köpfe hervorbrachte. Sei es, daß ein Tropfen wendischen oder slawischen Blutes die schlummernden Kräfte aufweckte oder in blutfremder Nachbarschaft gerade das eigne Volkstum sich rein und stark bewahrte, jedenfalls hat sich auch in Jean Paul eine Grenzscheide der Rassen als fruchtbar erwiesen. Sein Festhalten an der Sippe, am kleinen, von seinem Wesen ausgefüllten Raum, sein Hang zum »Nestmachen«, wie er es selber nennt, scheint wendische oder slawische Blutmischung bei ihm durchscheinen zu lassen. Aber wiederum konnte ihn das germanische Schweifen in die Ferne erfassen. Vielleicht war es überhaupt eine neue Rassenmischung, die in ihm und vielen seiner großen Zeitgenossen auftauchte und schon in Erscheinungen wie Günther, Bürger oder Schubart zutage trat. Eine Vermischung germanischer Erobererstämme mit irgendwelchen älteren autochthonen Bewohnern des Landes, die im Gegensatz zu der rein germanischen Oberschicht, etwa durch Goethe repräsentiert, nun aus der Tiefe sich hob und in die bisherige Herren- und Bildungsschicht eindrang. So wenig beweisbar im exakt wissenschaftlichen Sinne solche Vermutungen sind, so stützen sie sich doch auf augenscheinliche Tatsachen und Gegensätze des Wesens, die kaum anders als durch Rassengegensätze erklärt werden können.
    Jean Pauls Familie war seit Generationen im Fichtelgebirge ansässig. Sein Großvater Johann Richter lebte als Rektor, Kantor und Organist in Neustadt am Kulm. »An dieser gewöhnlichen baireuthischen Hungerquelle für Schulleute stand der Mann (der zuvor Kantor in Rehau gewesen war) fünfunddreißig Jahre lang und schöpfte.« Mit einem Strich wird hier das Elend der armen Theologen umrissen, die in der oft vergeblichen Hoffnung auf eine Pfarrstelle als Schullehrer, Kantoren, Organisten ihr Leben für ein Jammergehalt fristeten, einen bewunderungswürdigen Heroismus des Entbehrens an den Tag legten und in furchtbarster Armut Kinder zeugten, denen wieder das gleiche Los bevorstand. Als der Großvater im Sterben lag, brachten die Eltern den fünf Monate alten Jean Paul in beschwerlicher Fußwanderung zu dem Großvater, daß er ihn segne. »Ich wurde in das Sterbebett hineingereicht, und er legte die Hand auf meinen Kopf.«
    In solchem tagtäglichen Elend, in strenger Einteilung jedes Bissens Brot, wuchs Jean Paul heran. Die Überzeugung, wie jämmerlich die Kreatur Mensch in die Hand des Höchsten gegeben ist, mußte sich ihm in die Brust schneiden. Wie Vertriebene irrten diese Menschen durch das Leben, an ewiges Unglück gewöhnt. Und wenn ein stiller Augenblick des Glücks oder der Weihe sich über sie ausgoß, mußten sie ihn nicht mit Tränen in den Augen empfangen? Mußte nicht selbst jede Erhöhung schmerzhaft die wundgestoßene Seele berühren? Jean Paul läßt seine Gestalten ungewöhnlich viel weinen. Im Glück und Unglück entstürzen Tränenströme ihren Augen. Es war nicht allein sentimentales Übermaß der Epoche, es war die durch Hungern und Entbehren überreizte Außenfläche, die jede Berührung bis zur schmerzhaften Erschütterung empfand.
    Bewegter als des Großvaters war das Leben des Vaters. Am 16. Dezember
1727 in
Neustadt am Kulm geboren, besuchte er das Lyzeum in Wunsiedel als sogenannter Alumnus oder »armer Schüler« und darauf das

Weitere Kostenlose Bücher