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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Eltern spricht, wird sich in seiner eignen Seele geregt haben. Dem Vater waren wohl schon in Joditz, zum mindesten in den letzten Jahren, die Schwingen zerbrochen, und an die Stelle des liebenswürdigen Gesellschafters war mehr und mehr der»strenge Gesetzprediger«, der harte und uneinsichtige Erzieher getreten.
    Gegenüber dem Pfarrhaus lag die Wohnung des Schulmeisters, in der Fritz mit seinem Bruder Adam den ersten Unterricht genoß. Mit dem Abcbuch in der Hand betrat er die hohe Schule »in einer grüntafftenen Haube, aber schon in Höschen (die Schulmeisterin ersetzte öffentlich dabei meine schwachen Händchen).« Mit dem freundlichen Lehrer – alle diese Gestalten wird er später nicht müde liebevoll auszumalen – teilte er die Spannung des Vogelfangs mit dem zum Fenster hinausgehaltenen Finkenkloben oder dem Zuggarn auf dem Vogelherde draußen. Besonders erinnerte er sich »der langen ausgestopften Zapfen aus Leinwand, welche in kleinen durch die Holzwand gebohrten Luftlöchern steckten und die man nur herauszuziehen brauchte, um in den offenen Mund die herrlichsten Erfrischungen von Luft aus dem Froste draußen einzunehmen.« Auch hier wieder diese Vertrautheit mit den Elementen, die kleinen Erlebnisse, die in ihrer Gebundenheit an das dürftige aber naturhafte Material Welten in sich schließen, wie das Atemholen an den Luftlöchern der Holzwand.
    Aber die ihn beglückende Schulzeit fand ein jähes Ende, weil »ein langer Bauernsohn… mich mit dem Einlegmesser ein wenig auf die Fingerknöchel geschlagen.« Infolgedessen nahm der ängstliche Vater die Söhne aus der Schule, um sie nun allein zu unterrichten. »Mir gegenüber mußt’ ich jeden Winter die Schulkinder in einen Hafen einlaufen sehen, der mir versperrt war.« Der Unterricht des Vaters bestand darin, daß er den Söhnen vier Stunden vor-, und drei Stunden nachmittags aus dem Katechismus, der Bibel, Wörterbüchern und Langens Grammatik zum Auswendiglernen aufgab und sie außerdem während des Winters vollständig ans Haus fesselte. Ganze Jahre lang hat Jean Paul, solange der Winter dauerte, den engen geschlossenen Raum überhaupt nicht verlassen dürfen, oder doch nur gelegenheitsweise, wenn es im Dorf etwas Besseres zu tun gab. Im Sommer ging es nur wenig besser. Es war gar nichts Leichtes, »an einem blauen Juniustag, wo der Alleinherrscher Vater nicht zu Hause war, sich selber in einen Winkel festzusetzen und gefangenzunehmen und zwei oder drei Seiten von Vokabeln desselben Buchstabens oder ähnlichen Klanges in den Kopf einzuprägen und einzubauen.« »Man muß sich nicht wundern, wenn mein Bruder Adam deshalb immer Schläge von solchen Tagen davontrug.« Von sich kann er berichten, daß er niemals geschlagen wurde, denn »er wußte immer das Seinige.« Schon hier trat die staunenswerte Begabung des Knaben hervor. Für Fritz gab es keine Aufgabe, die er nicht mit Feuereifer aufgriff. Er lernte mit einem unersättlichen Heißhunger, auch wenn es sich nur um das Auswendiglernen eines Vokabelbuchs oder grammatischer Regeln handelte. Wo er auch hinkam, überall erregte sein Wissen begreifliches Aufsehen. Was ihm auch vorgehalten wurde, es war für ihn ein Zipfelchen der großen Welt der Gelehrsamkeit, und er ruhte nicht, bis er wenigstens alles ihm Erreichbare völlig in sich eingeschlungen hatte. Seine Aufnahmefähigkeit war grenzenlos, sein Gedächtnis umfassend wie das eines Halbwilden. In ihm schlummerte nicht nur der große Dichter, sondern auch eine der ganz großen intellektuellen Begabungen, wie gerade jene Zeit ihrer in Hegel, Schelling, Wilhelm von Humboldt hervorgebracht hat.
    Dennoch litt er unter den Erziehungsgrundsätzen seines Vaters. Aber vielleicht war diese Erziehung seiner Natur gemäß. Er lernte nach Glück hungern und jede freie Stunde unter dem Sonnenhimmel als köstliches Geschenk aufnehmen. Und wenn er Monate hindurch in ein Zimmer gebannt war, so verwuchs er mit allen Adern wenigstens in den kleinen Ausschnitt der Welt, der ihm geboten war. Und dieser kleine Ausschnitt war ja auch nicht ein beliebiges Zimmer, nach einer Willkür des Überflusses und zufällig ornamentalen Gesichtspunkten ausgestattet, sondern es war ein von Fülle berstender Lebensumkreis, unter dem Gesetz der Notwendigkeit stehend. Wir sehen die Familie in dem einen Wohnzimmer versammelt, wenn draußen der Januarwind von den Höhen niedertobt. Der Vater sitzt wie gewöhnlich in der Fensternische und lernt an der Sonntagspredigt. (Übergroße

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