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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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sehen, in das man nicht von unten gesehen!« schreibt er. Ackern, Säen, Pflanzen, Mähen, Heumachen, Kornschneiden, Ernten – ein Reigen von Frühlings- und Sommerfesten tanzt vorüber. »Die Morgen glänzen mir noch mit unvertrocknetem Tau«, an denen er dem Vater den Kaffee in den Pfarrgarten trug, der außerhalb des Dorfes lag. Das Auswendiglernen wurde jetzt im Grase liegend betrieben. Abends begleiten die Kinder die Mutter zu den Salatbeeten und den Beerensträuchern, und das Herrlichste: man konnte zur Nacht essen, ohne Licht anzuzünden! Die kleinen Freuden des unsterblichen Quintus Fixlein und des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wuz, sie haben an den Sommertagen des Knaben ihre Fackeln entzündet.
    Die Zeit der ersten Liebe nahte. Es war ein kleines gleichaltriges Bauernmädchen mit eirundem pockennarbigen Gesicht, das sein Herz gefangen nahm, Augustina Römer geheißen. Zu einer Liebeserklärung kam es zwar nicht, aber in der Kirche sah er sie von seinem Pfarrstuhl aus in ihrem Weiberstühlchen sitzen und konnte ihren Anblick nicht satt bekommen. Wenn sie Abends die Weidekühe nach Hause trieb, die er am Geläut kannte, so kletterte er auf die Hofmauer, um sie zu sehen und heranzuwinken, und lief dann wieder hinab an den Torweg, um ihr etwas Eßbares, Zuckermandeln oder sonst etwas Köstliches, zuzustecken. »Leider trieb er’s in manchem Sommer nicht dreimal zu solchem Glück«, und in all den Jahren kam er nicht einmal dazu, ihr die Hand zu drücken, geschweige denn sie zu küssen. Aber noch als die Familie nach Schwarzenbach gezogen war, übersandte er der heimlich und glühend Geliebten durch einen Boten selbstverfertigte Potentatenbilder, die er mit Fett und Ruß nach ihrem gemalten Leben gezeichnet und mit dem Farbenkästchen täuschend illuminiert hatte.
    Besondere Oasen bildeten die Sonntage. Schon am taufrischen Morgen holte Fritz Rosen aus dem Pfarrgarten, um die Kanzel des Vaters zu schmücken. Nach der Kirche durfte er den Fronbauern, die wochüber in der pfarrherrlichen Landwirtschaft tätig gewesen, das reichlich ausfallende Halbpfundbrot überbringen und Freude austeilen. Die festlichste Abwechslung aber brachte der Besuch der Pfarrleute Hagen aus dem nahe gelegenen Köditz, die unter der Predigt erschienen. Spätabends, nach einem Tag voller Freuden und Spiele, begleitete das Joditzer Pfarrhaus das Köditzer bis weit über das Dorf hinaus, und eine solche Seligkeit erfüllte den Knaben dabei, daß das verlängerte Abschiednehmen und Begleiten von Freunden in den Abend hinein ein immer wiederkehrendes Thema seiner späteren Romane wurde. Auch ward den Köditzern der Besuch erwidert, und das freie Spielen mit einem gleichaltrigen Kameraden im befreundeten Hause bedeutete lange nachwirkende Seligkeit. Hier errang er auch die ersten Lorbeeren, wenn er vor den Pfarrleuten pathetisch des Vaters letzte Sonntagspredigt wiederholen mußte und glänzend abschnitt.
    Eine besondere Rolle spielte in dem kleinen Leben naturgemäß die Familie des Patronatsherrn Freiherrn von Plotho auf Zedtwitz. Plotho war preußischer Gesandter beim Regensburger Reichstag gewesen. Goethe erwähnt ihn in seiner Beschreibung der Krönung Josephs II. und bemerkt, daß sein Auftreten dem Bilde entsprach, das sich die Frankfurter von dem Vertreter des großen Preußenkönigs gemacht hatten. Jedesmal wenn der Vater »bei Hofe« gewesen, setzte er Frau und Kinder in ländliches Erstaunen über hohe Personen und deren Hofzeremoniell, über Speisen und Eisgruben und Schweizerkühe. Berichtete voller Stolz, wie er aus dem Domestikenzimmer sehr bald zur Tafel gezogen wurde, wenn auch daran die bedeutendsten Rittergutsbesitzer des Vogtlandes saßen und aßen. Jeden Gründonnerstag holte eine prächtige Kutsche den Pfarrer als Beichtvater zur Abendmahlfeier der Herrschaft ab, und die Kinder wurden, bis der Vater fertig war, darin mit ihren Entzückungen im Dorfe ein wenig herumgefahren. Einmal aber wurde Fritz mit nach Zedtwitz genommen, drückte der Freiherrin den zeremoniellen Kuß auf ihr Kleid und empfing in dem Schloßpark die ersten Eindrücke von vornehmen Gärten, in denen er später im Werk wie im Leben heimisch werden sollte.
    Erlebnisreicher waren die Gänge nach dem großelterlichen Hof, weil sie mit den Wundern der Stadt verbunden waren. Den Quersack auf dem Rücken ging es zuerst durch gewöhnliche reizlose Gegenden, dann durch einen Wald und darin über einen brausenden Fluß voller Felsstücke, »bis endlich auf

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