Saemtliche Werke von Jean Paul
als Schriftsteller zu fühlen und suchte seine veränderte Stellungnahme zur Welt auch äußerlich zu dokumentieren, inneres Wesen und äußeres Bild seiner Erscheinung miteinander in Einklang zu bringen. Wenn er den Hauch einer neuen Zeit in sich fühlte und als Autor der offiziell herrschenden Orthodoxie den Krieg erklärte, so glaubte er auch in seiner Kleidung den Gegensatz betonen zu müssen, und wählte dazu eine Tracht, die in unsern Tagen wiederum als Kampftracht einer jungen aufsteigenden Generation in Mode gekommen ist: den heute sogenannten Schillerkragen. Ende August schrieb er an seine Mutter: »Dafür schicken Sie mir lieber seine Oberhemde, keine Unterhemde brauch ich nicht; aber jene müssen à la Hamlet gemacht sein. Bei Ihnen wird dies niemand verstehen; das heißt nämlich, vorn bei der Brust müssen sie offen sein, daß man den bloßen Hals und die Brust sehen kann; das ist hier Mode.« Allein gerade weil es jeder Mode ins Gesicht schlug, entblößte er Hals und Brust, und ein halbes Jahr darauf schnitt er kurz entschlossen den Zopf ab und ließ offenes Haar frei im Winde wehen.
Und ebenso machte er aus seiner von dem Zeitgebrauch abweichenden Rechtschreibung nunmehr ein System und erhob zum Grundsatz, was früher nur bequemer Gebrauch gewesen war. Schon in der Muluszeit war er in der Schreibart eigene Wege gewandelt. Er hatte das Dehnungs-h und die Verdoppelung der Konsonanten wie Vokale verpönt. In einem Brief an Pfarrer Vogel vom November 1781 verteidigt er seine Schreibweise gegen die Angriffe des Mentors mit rationalistischen Gründen. Er geht von dem zufälligen augenblicklichen Stand der Sprachentwicklung aus, ohne auf ihre Geschichte und Stammeszugehörigkeit Rücksicht zu nehmen, und huldigt dem verflachenden und rationalistischen Prinzip, die Schriftzeichen der Klangform anzugleichen. Er, den später Grimms Wörterbuch der deutschen Sprache als einen der größten Sprachschöpfer anführt, der aus dem Sprachbewußtsein des Volkes und der Sprache selbst neues Sprachgut in Menge ans Licht hob, er zeigte sich in seinem Aufklärungszeitalter als der folgerichtigste Rationalist, um so mehr, als Rationalismus eine ihm wesens- und blutfremde Anschauung war. Jeden Gedanken an Mythos und Sinn einer Sprache hätte er damals radikal abgelehnt. Zuckt er doch über den Mystiker Krusius und seine Anhänger die Achseln: »Man ist im Jahr 1781 zu aufgeklärt, um ganz Krusianer zu sein, wenigstens zu klug, um es zu sagen.«
Schon in einem früheren Brief an Rektor Werner heißt es: »Ich würde nur das arbeiten, was mir gefiele…« Jetzt, wenige Wochen später, kommt an Pfarrer Vogel die Absage seines theologischen Studiums: »Es wird mir schwer, Ihnen gewisse Dinge zu sagen, da sie sich ohne den Schein von Stolz und Prahlerei kaum sagen lassen: aber es wird mir leicht, es zu sagen, wenn ich mich erinnere, daß Sie mich zu gut kennen, um da mich stolz zu vermuten, wo ich’s nicht sein kann, oder da zu finden, wo man’s bloß zu sein scheint. Ich habe mir die Regel in meinen Studien gemacht, nur das zu treiben, was mir am angenehmsten ist, für was ich am wenigsten ungeschickt bin, und was ich jetzt schon nützlich finde oder halte. Ich habe mich oft betrogen, wenn ich dieser Regel gefolgt bin: allein ich hab’ es nie bereut, in einen Irrtum gefallen zu sein, der… Das studieren, was man nicht liebt, das heißt, mit dem Ekel, mit der Langweile und dem Überdruß kämpfen, um ein Gut zu erhalten, das man nicht begehrt, das heißt, die Kräfte, die sich zu etwas anderm geschaffen fühlen, umsonst an eine Sache verschwenden, wo man nicht weit kommt, und sie der Sache entziehn, in der man Fortgänge machen würde. ›Aber eben dadurch verdienst du dein Brot‹ ist der elendeste Einwurf, der gemacht werden kann. Ich wüßte keine Sache in der Welt, durch welche man sich nicht Brot erwerben könnte. Ich will das verschweigen, daß der nie so weit kommt, der sich in seinen Studien bloß die Erwerbung eines notwendigen Bedürfnisses zum Endzweck setzt –, ›allein in dem einen mehr, in dem andern weniger!‹ Dies zugegeben; so weiß ich nicht, ob ich in dem mein Brot erwerben werde, wozu ich keine Kräfte fühle, keine Lust empfinde, und in welchem ich also nur wenig Fortgänge mache, oder in dem, in welchem mich mein Vergnügen anspornt, mir meine Kräfte forthelfen… – Man muß ganz für eine Wissenschaft leben, ihr jede Kraft, jedes Vergnügen, jeden Augenblick aufopfern, und sich mit den andern
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